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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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kommen, um Selvaggia abzuholen«, sagtest du betont gelassen. »Wir fahren zum Gardasee. Damit sie Genua und das Meer nicht so vermisst.«
    Â»Wie schön«, lobte dich deine Mutter. »Ich wusste gar nicht, dass ihr was zusammen unternehmen wollt. Fahrt ihr allein?« Uff, was für eine Frage! Doch irgendwann kamst du zu dem Schluss, dass sie die Wahrheit nicht unbedingt wissen musste.
    Â»Nein, mit Freunden«, sagtest du. »Die wollen später dazustoßen. So lernt sie gleich ein paar neue Leute kennen.«
    Â»Natürlich«, sagte deine Mutter anerkennend. »Selvaggia kann froh sein, dass sie solch einen Bruder hat! Nicht jeder wäre so entgegenkommend. Ich bin dir wirklich sehr dank bar.«
    Â»Aber das ist doch selbstverständlich, Mama«, hättest du am liebsten gesagt, denn es gab wirklich nichts, wofür sie dir dankbar sein musste: Das Vergnügen, Selvaggia für dich allein zu haben, war ganz auf deiner Seite.
    In diesem Moment erschien Selvaggia in der Tür, und du bekamst sofort Herzklopfen, so bezaubernd sah sie in ihrem kurzen schwarzen Trägerkleid aus. Sie hatte eine Strohtasche dabei und begrüßte dich mit einer gespielten Verbeugung.
    Â»Na, was sagst du?«, wandte sie sich an eure Mutter. »Ich dachte, ich ziehe mich an wie für einen Strandausflug.«
    Â»Du siehst gut aus, wirklich«, erwiderte eure Mutter.
    Deiner unbedeutenden Meinung nach sah Selvaggia einfach perfekt aus in diesem ungewohnt schlichten Trägerkleid. So als bemühe sie sich, alles, was schwierig an ihr war, zu Hause zu lassen, damit du sie besser verstehen konntest. Das war zumindest dein Eindruck, den du jedoch nicht weiter hinterfragtest.
    Bis ihr die Wohnstraßen hinter euch gelassen hattet und auf der Landstraße wart, wechseltet ihr kein einziges Wort. Selvaggia schien nur so zu strotzen vor Energie und jugendlichem Elan. Natürlich konntest du jetzt noch nicht wissen, ob das in den nächsten Stunden in ein Verhalten mündete, das dir auf die Nerven gehen oder dich tyrannisieren würde. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass du der Erste warst, der das Wort ergriff, beschriebst du ihr kurz das Ziel eurer Reise, erzähltest, dass es dort bei so schönem Wetter wie heute einfach herrlich war, wenn eine leichte Brise den Gardasee kräuselte und man das herrliche Burgpanorama über dem See sah. Aus irgendeinem Grund hast du sie nach ihren Lieblingsfächern gefragt.
    Auch wenn du dich bemühtest, sie dabei nicht anzusehen, muss Selvaggia dir einen ziemlich viel sagenden Blick zugewor fen haben. Einen, der angesichts deines Bedürfnisses, gewisse Themen noch während der Ferien anzusprechen, nahelegte, dass etwas mit dir nicht stimmte. Zumindest interpretiertest du ihn nach dem ersten Schrecken so. »Psychologie«, sagte sie schließlich. »Obwohl mir das manchmal zu theoretisch ist. Wenn ich später mal studiere, werde ich mich wohl für Marketing einschreiben.«
    Tatsächlich machte dir ihre Antwort so einiges klar. Natürlich gingst du nicht davon aus, dass sie Gedanken lesen konnte, nur weil sie bestimmte Fächer belegt hatte, aber ein bisschen was erklärte das schon.
    Â»Ich für meinen Teil weiß nicht mal, ob ich überhaupt studieren will«, sagtest du. »Naturwissenschaften interessieren mich zwar, und Mathematik und Physik machen mir Spaß, aber ich bin nicht unbedingt ein Überflieger. Im Gegenteil!«
    Du hörtest, wie sie leise auflachte. »Quatsch, das glaube ich nicht. Auf mich wirkst du eher wie der totale Streber.«
    Â»Nein, im Ernst«, gabst du zurück. »Ich schreibe mit Ach und Krach Zweier. Ich gehe nun mal lieber schwimmen, als zu lernen. Ich bin eher der Sportlertyp und kein Wissenschaftler.«
    Â»Ehrlich gesagt, ist es bei mir genauso«, sagte sie. »Am meisten interessiere ich mich für Sportgymnastik. Aber du weißt ja, wie das ist: Unsere Mutter ist streng, und wenn ich verhindern will, dass sie den ganzen Sommer sauer auf mich ist, muss ich mindestens einen guten Zweierschnitt schaffen. Nicht dass es ein Problem bedeutet, zumindest in Genua ist es mir nicht schwergefallen.«
    Â»Ja, ja«, sagtest du. »Trotzdem, mein Fräulein, eines interessiert mich dann doch: Woher nehmen Sie bloß die Zeit? Oder besser gesagt: Sind Sie ein Genie, oder kann ich mich nur nicht gut organisieren?«
    Auf deine galante Provokation reagierte sie bloß

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