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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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potenziellen Mietern zu zeigen, ohne euch vorher Bescheid zu sagen! Wie solltet ihr jetzt erklären, wie ihr euch Einlass verschafft hattet, zumal ihr zu allem Überfluss halb nackt wart beziehungsweise fast ganz nackt? Du spürtest Selvaggias Wärme in deinem Rücken, da sie ebenfalls einen kurzen Blick in den Flur werfen wollte. Aber als du sahst, dass die drei Anstalten machten weiterzugehen, stießt du sie zurück.
    Â»Mama ist da«, flüstertest du.
    Hastig suchte sie ebenso entsetzt wie du ihre Sachen zusammen, stricht die Bettdecke glatt, und ihr steuertet das einzig mögliche Versteck an: den Kleiderschrank. Wäre das eine Filmszene gewesen, hättet ihr euch vermutlich gekrümmt vor Lachen.
    Im Schrank hörtet ihr, wie die Zimmertür aufging. Die drei Stimmen kamen immer näher. Euch schlug das Herz bis zum Hals. Selvaggia und du quetschtet euch in den hintersten Winkel des Schrankes. Welche Ausrede konntet ihr vorbringen, wenn man euch entdeckte? Einstweilen schirmtest du Selvaggia mit deinem Körper ab, erlagst der Illusion, man könnte nur dich entdecken. Jemand – eure Mutter vielleicht? – schien sich mit dem Rücken an eine der Schranktüren zu lehnen, und euch stockte der Atem.
    Â»Ich habe mir gedacht, dass man die Wohnung als Gästewohnung vermieten könnte, das heißt möbliert. Hier steht der wunderschöne nagelneue Schrank, den ich natürlich noch völlig ausräumen werde. Für Gäste oder Kinder dürfte er eigentlich reichen.«
    Eure Herzen ließen einen Trommelwirbel hören.
    Â»Ja, ja, der reicht«, sagte die Männerstimme.
    Â»Sind Sie schon lange verheiratet, wenn ich fragen darf?«, sagte die Stimme eure Mutter.
    Â»Oh, seit fünf Monaten«, erwiderte die Frauenstimme. »Erst seit fünf Monaten.«
    Â»Prima«, erwiderte eure Mutter. »Meine Tochter und ich sind hier ausgezogen, als Sie geheiratet haben. Aber ich muss Ihnen gestehen, dass ich mich nur ungern von den Zimmern mit den hohen Decken getrennt habe. Genau das liebe ich so an Altbauwohnungen: So albern das klingt, aber nur dort fühle ich mich richtig zu Hause. Die Wohnung hat eben einfach Flair . Wenn Sie sich jetzt das Badezimmer ansehen wollen … Bitte, hier entlang.«
    Sie verließen das Zimmer, und du warst weder in Ohnmacht gefallen noch gestorben. Selvaggia und du seufztet erleichtert auf, und du strichst ihr im Dunkeln über den Kopf, küsstest ihren Scheitel.
    Auf einmal stürmte sie aus dem Schrank.
    Â»Wo willst du hin? Komm zurück!«, zischtest du, während dir das Herz bis zum Hals schlug.
    Sie bedeutete dir, ebenfalls rauszukommen.
    Du schütteltest heftig den Kopf.
    Â»Mach schon!«
    Â»Nein!«
    Sie zerrte an deinem Arm, allerdings ohne großen Erfolg.
    Â»Ich habe Nein gesagt«, wehrtest du dich und versuchtest, sie wieder hineinzuziehen.
    Irgendwann gelang es ihr, dich zum Rauskommen zu bewegen. Nachdem sie deinen rechten Arm gepackt hatte, damit du nicht abhauen konntest, denn noch trautest du ihr nicht so recht, wagte sie sich in den Flur, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Eure Mutter und die potenziellen Mieter waren nach wie vor im Badezimmer. Du hörtest Stimmen, die ein Loblied auf den Blick über die Altstadt sangen, den man aus den beiden großen Fenstern hatte.
    Selvaggia nutzte die Gelegenheit, um aus dem Zimmer zu schlüpfen und dich hinter sich herzuziehen. Mitsamt euren Sachen schlicht ihr wie der Kater Sylvester durch den Flur, während die Wohnungstür sich deutlich vor euch abzeichnete.
    Â»Wo willst du hin! Du bist ja verrückt! So gehe ich nicht vor die Tür«, zischtest du. »Ich bin noch in Boxershorts, siehst du das nicht?« Und tatsächlich hätten sich eure Kleider eigentlich an euch befinden sollen und nicht zusammengeknüllt in euren Armen.
    Sie ignorierte deinen Protest. Lautlos öffnete sie die Woh nungstür und wollte dich hinauszerren. »Los!«, drohte sie. »Mach schon, stell dich nicht so an!«
    Â»Nein«, beharrtest du. Aber in diesem Augenblick wurde dir klar, dass die Besichtigung seitens des Ehepaars vorbei war und dir keine andere Wahl blieb. Das Unheil saß dir direkt auf den Fersen, deshalb verließt du die Wohnung als Erster, während Selvaggia wie eine Meisterdiebin lautlos die Tür schloss.
    Als Nächstes starrtet ihr auf das rot flackernde

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