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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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Aufregung. Und wie das manchmal so ist, wenn man sich etwas herbeisehnt, glaubtest du, deine Ungeduld könnte die Wartezeit beschleunigen. Schließlich erschienen die ersten Gym nastinnen, die mehr oder weniger noch Kinder waren: Feen die hie und da über die Bühne huschten, Botschaften überbrachten, ihr Zubehör kontrollierten, vor aller Augen noch mal ihre Cho reografien probten oder einfach nur nervös durcheinanderplapperten.
    Doch von Selvaggia nach wie vor keine Spur.
    Du hattest damit gerechnet, sie gleich auf der Bühne zu sehen, aber sie hatte dir verschwiegen, dass ihr Auftritt nicht der erste war, ja nicht einmal zu den ersten Darbietungen gehörte. Im allgemeinen Stimmengewirr, das langsam verstummte, schritten ungefähr zwanzig kleine Mädchen mit ihrem Gymnastikzubehör in die Mitte der Bühne, um sich dort zu positionieren – vermutlich war es der erste Auftritt ihres Lebens. Der eine oder andere Fehler veranlasste die Zuschauer erwartungsgemäß zu gerührten Bemerkungen, sowie zu aufmunterndem Applaus und anfeuernden Rufen. So schnell wie sie gekommen waren, verschwanden die zwanzig Kleinen auch wieder und machten Platz für die nächste Darbietung, die ebenfalls nicht von Selvaggia stammte.
    Am besten, du beruhigst dich, sagtest du dir. Aber trotz der Ermahnungen, die dein Gehirn Signor Johnny erteilte, wurdest du während der folgenden Auftritte immer nervöser, obwohl einige davon wirklich wunderschön waren. Als du die Hoffnung gegen halb sechs fast aufgegeben hattest, tröstetest du dich mit dem Gedanken, dass du sie schon noch sehen würdest, wenn es so weit war. Gelähmt vor Langeweile bemerktest du die zierliche, schwarz gekleidete Gestalt, die jetzt die Bühnenmitte betrat, erst gar nicht.
    Â»Giovi, Giovi, da ist sie«, rief eure Mutter bewegt. Kaum hattest du sie entdeckt, sprangst du abrupt auf und verließt deinen Platz, um so nahe wie möglich an die Bühnenabsperrung heranzugehen.
    Inzwischen hatte Selvaggia ihre endgültige Position eingenommen. Sie ordnete ihr Zubehör, ein schwarzes, immer blasser werdendes Band, und du ahntest, was in ihr vorging, ließt dich von ihren Gefühlen anstecken. Sogar ihre adrenalinbeschleunigte Atmung übertrug sich auf dich, und eure Herzen galoppierten im Gleichtakt.
    Die ersten Noten des Stückes, die in deinen Ohren jetzt unglaublich sanft klangen, verliehen ihren Schritten den richtigen Rhythmus. Anfangs waren sie ganz leicht und verträumt, ja kaum wahrzunehmen wegen ihres funkelnden Bühnenoutfits (ein schwarzer Body, der aussah wie von einem Disney- Regisseur entworfen, so sehr war er mit glitzernden Edelsteinen übersät, die mittels Selbstentzündung oder so ein Licht erzeugten, dass das Publikum blendete). Ihre Bewegungen waren einfach perfekt und machten dem geradewegs Göttlichen, ja fast schon Beängstigendem , das du im Tanz wahrnahmst, wirklich alle Ehre: eine Apotheose der Schönheit.
    Das Band, das in einer überwältigenden Choreografie hin reißende Volten und Ornamente um sie herum beschrieb, schien Verse reiner Poesie in die Luft zu malen; und während sie auf der Bühne herumwirbelte und sich mit einer fast überirdischen Anmut drehte, schien sie mit diesem Band, das jede noch so kleine Bewegung begleitete und vervollständigte, wie verwach sen – ja, eine unerklärliche, spirituelle Verbindung eingegangen zu sein.
    Nach und nach drang der Liedtext bis zu dir durch. Gott sei Dank hattest du ihn nicht zu oft anhören müssen, aber jetzt, wo die Melodie durch ihre Anmut in etwas anderes verwandelt wurde, fiel dir ihre fast schon erhabene Schönheit auf, die gewissermaßen das Füllhorn an Freuden ankündigte, die Selvaggia im Laufe deines Lebens noch über dir ausschütten würde …
    Aber … um Himmels willen! Je weiter das Lied voranschritt und je mehr du auf den Text achtetest, desto deutlicher sahst du dich der grausamen Realität wie einer unüberwindlichen Mauer gegenüber. Dieser Song handelte von Angst vor Überwachung, von einer Art Überwachung unserer Gefühle. Beim Gedanken an deine unendliche, aber verbotene Liebe, an eure ständige Angst, entdeckt zu werden, erfüllte dich genau die sehnsüchtige Melancholie, die den Song ausmachte. Jetzt begriffst du, dass sie es dir gewidmet hatte, ja auch beiden – was dir natürlich schmeichelte, dich jedoch

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