Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
sie ein wenig schwerfällig die Treppe hinab, aber das schrieb er ihrer Erschöpfung zu. Am Ende des Kellergangs befand sich eine alte Metalltür. Zwei uniformierte Soldaten kauerten gefesselt und geknebelt an der Wand. Gorine bewachte sie mit einem unglücklichen Ausdruck und einer Pistole in jeder Hand. Mahmoud suchte nach einem Schlüssel an einem Schlüsselring. Hinter ihnen stützten zwei Bedienstete Madeleine Kraft vorsichtig zwischen sich.
»Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun«, murmelte Gorine. »Bronque wird seine Soldaten rufen und die Türen aufbrechen.«
»Du könntest ihn als Geisel nehmen«, bemerkte Mahmoud. Seinem Tonfall und Gorines Antwort waren zu entnehmen, dass es keine neue Idee war. »Lass ihn herein, stell deine Männer bereit …«
»Der Colonel wird sich zur Wehr setzen, und wenn er verletzt oder getötet wird, ist es unser Leben – wenn er uns nicht gleich als Erste umbringt …«
Svenson unterbrach ihn. »Wenn wir genug Zeit hätten, würde ich den Colonel bitten, sich uns anzuschließen. Aber die haben wir nicht. Mrs. Krafts einzige Hoffnung, ihr Gedächtnis wiederzuerlangen, ist Widerstand. Außerdem bestimmt nicht der Colonel über ihr Überleben, sondern der Mann, der bei ihm ist.«
»Wir wissen nicht einmal, wer er ist!«
»Ich schlage vor, Sie finden es heraus. Wer von Ihnen bleibt also, und wer kommt mit?«
»Mahmoud kennt die Tunnel.« Gorine drückte ihm die Pistolen in die Hände. »Wenn Mrs. Kraft etwas passiert, stehen Sie Rede und Antwort. So wie wir es gegenüber Ihrer Majestät tun werden.«
»Selbstverständlich«, sagte Svenson, der Gorines naive Vorstellung von der Verbindung des Colonels mit der Königin registrierte. »Wer hat eine Laterne?«
Als Junge war Doktor Svenson stolz darauf gewesen, den Wald, der an die Felder seiner Familie grenzte, gut zu kennen. Als unzufriedener Jugendlicher hatte er sich angewöhnt, zwischen den Bäumen herumzuschleichen, bis es dunkel wurde, obwohl ihm der Ort eine unbestimmte Furcht einflößte. Dann musste er seinem Instinkt folgen, um zurückzufinden. Bei jedem Zweig, der zwischen seinen Füßen hochgesprungen war oder ihm ins kalte Gesicht geschlagen hatte, war die triste Eintönigkeit seines Lebens einem wachsenden Risiko gewichen, und seine Opferbereitschaft hatte der eines Ritters geglichen, der wachend in einer kalten Steinkirche saß. Rechtzeitig hatte er den Stolz hinter der Romantik erkannt, und die Furcht hinter dem Stolz, und bei diesen Erinnerungen erschauderte er.
»Wo bist du gewesen?«, hatte ihn seine Mutter gefragt.
»Spazieren«, war seine immer gleiche Antwort gewesen.
Er war jedes Mal wieder nach Hause zurückgekehrt – zu Licht und Wärme –, und das angenehme Gefühl, dort geborgen zu sein, gab seinem Leben, das er als so selbstverständlich ansah, eine Bedeutung. Aber war nach all den Jahren nicht der dunkle Wald noch immer da? Welches Zuhause gab es noch, wo man hingehen konnte? Bei seinen Streifzügen hatte er das Leben um sich herum missachtet, allerdings vielleicht wirklich etwas von der Welt begriffen.
Mahmoud stellte seine Laterne auf Steinstufen unter einer abgewinkelten Türöffnung. »Diese Tür führt zum Hof – der einfachste Zugang, doch gut sichtbar, da es heller Morgen ist.«
»Gibt es noch einen anderen Weg?«
»Haben Sie ein bestimmtes Ziel?«
»Das habe ich. Auf der anderen Hofseite befindet sich ein Rundbau aus Backstein – ähnlich wie ein Eisberg erstreckt er sich hundert Stufen in die Tiefe. Der Hauptraum wurde für den Comte d’Orkancz umgebaut. Vielleicht sind noch genug Apparate da, um Mrs. Kraft wiederherzustellen.«
»Wie?«
»Das spielt kaum eine Rolle, wenn wir nicht hinkommen.«
»So wie Lord Vandaariff einst den Comte unterstützt hat, so unterstützt er jetzt andere und bietet sogar an, dass seine eigenen Leute die Tore bewachen … aber es gibt andere, ältere Wege.« Mahmouds Zähne leuchteten im Dunkeln.
Sie folgten dem Licht der Laterne zu einer Wand aus Ziegelsteinen. Mahmoud stieß mit beiden Händen dagegen, und die gesamte Wand schwang nach innen.
»Das ist eine echte Geheimtür!«, begeisterte sich Svenson.
»Damit der König zu seiner Mätresse gelangte«, sagte Mahmoud und trat hindurch. »Passen Sie auf, wo Sie hintreten …«
Der Vorgang, bei dem ein königliches Schlafgemach zu einem staubigen Lagerraum für wissenschaftliche Präparate geworden war – Svenson konnte Kopffüßer in trüben Gläsern erkennen und sah geologische Sammlungen
Weitere Kostenlose Bücher