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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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kennen?« Alle Wirkungen, setzte sie in Gedanken hinzu.
    Natürlich war das nicht die ganze Wahrheit, und sie sah Christopher an, daß er sie durchschaute. Aber er war wohl zu schwach, um weitere Fragen zu stellen. Kraftlos ließ er sich aufs Bett fallen. Die neue Kleidung, die sie für ihn gekauft hatte, lag viel zu weit um seinen schmächtigen Körper – sie hatte die Größe aus der Erinnerung gewählt, ohne damit zu rechnen, daß er in so schlechter Verfassung sein würde.
    Im Hinaufgehen hatte sie beim Zimmerkellner eine Bestellung aufgegeben, doch als die Speisen wenig später gebracht wurden schlief Christopher bereits tief und fest. Aura betrachtete ihn stumm. Ihre Abneigung war ungebrochen, und doch war sie froh, fast euphorisch darüber, daß ihr Plan so reibungslos verlaufen war. Sie hatte einen Verbündeten gewonnen, den einzigen Menschen, auf den sie sich bei ihrem Vorhaben blind verlassen konnte – ganz gleich, was sie sonst von ihm halten mochte. Wenn es um Sylvette ging, dessen war sie sicher, stand Christopher bedingungslos auf ihrer Seite. Und irgendwann würde er vielleicht erfahren, daß sie ihm mehr als nur eine zweite Chance gegeben hatte.
    Sie hatte Jahre gebraucht, um einige der Geheimnisse des Dachgartens zu ergründen; eines der ersten war die Lage von Nestors Leichnam gewesen. Als Christopher das Schloß Hals über Kopf verlassen hatte, um Sylvettes Entführer zu verfolgen, hatte er viele seiner Versuchsanordnungen hinterlassen, und auch einige Bücher, die er mit markierten Seiten im vorderen Teil der Bibliothek gestapelt hatte. Auf diese Weise war Aura sowohl auf die Legende vom Gilgamesch-Kraut als auch auf die zahlreichen botanischen Nachschlagewerke gestoßen, mit deren Hilfe Christopher vergeblich versucht hatte, die Pflänzchen auf Nestors Grabstätte zu bestimmen. Es hatte nicht viel dazugehört, seine Folgerungen nachzuvollziehen. Aura hatte im Laufe der Zeit weitere Stellen in anderen Büchern gefunden, die Christophers Vermutung zumindest erhärteten. Freilich hatte sie Zweifel gehabt, zu viele, um sie aufzuzählen. Und natürlich blieb offen, weshalb das Kraut ausgerechnet auf dem Grab desjenigen Mannes wachsen sollte, der am leidenschaftlichsten danach geforscht hatte. Es mußte mehr dahinterstecken als ein zynischer Streich der Natur. Weit mehr.
    Aura legte sich auf das Brokatsofa und holte tief Luft. Ganz langsam fiel die Erregung von ihr ab. Sie spürte, wie sich ihre Glieder entspannten, und der Wirrwarr in ihrem Kopf in geordnetere Bahnen floß. Sie hatte schon vor zwei Wochen vom Schloß aus mehrere Privatdetektive beauftragt, in Wien für sie Informationen zu sammeln – über Lysander, seine derzeitige Machtposition bei Hofe und seine Stellung in der Unterwelt. Natürlich war ihr bewußt gewesen, daß der Alchimist von diesem Auftrag erfahren würde; tatsächlich war genau das ihre Absicht gewesen. Nur aus diesem Grund hatte sie gleich mehrere Detektive angeheuert. Sie wollte sichergehen, daß zumindest einer von ihnen mit seinem Wissen zu Lysander ging.
    Es war ein gewagtes Spiel, und sie hatte alle möglichen Gegenzüge ihres Feindes vorausgesehen. Mit einer Ausnahme: daß nämlich überhaupt nichts geschehen würde.
    Doch genau das war passiert. Keine Drohungen, keine Mörderkommandos. Nichts dergleichen. Sie hatte eine Gruppe von Wachmännern aus Berlin angeworben, die die Schloßinsel Tag und Nacht im Auge behielten – umsonst. Kein Lebenszeichen von Lysander, keine Nachricht, daß er ihre Neugier übelnahm.
    Doch das war noch nicht alles. Auch die Berichte der Detektive hielten Überraschungen bereit. Aura hatte sie gleich an ihrem ersten Tag in Wien zu sich gebeten, kurz bevor sie Christopher im Gefängnis besucht hatte. Und alle hatten die gleiche Nachricht für sie gehabt: Lysanders Macht war geschwunden. Er hatte sich, so hieß es, schon vor fünf Jahren aus den meisten Belangen der Wiener Unterwelt zurückgezogen. Niemand kannte die Gründe. Die übrigen Bosse hatten Lysanders Geschäfte eilig untereinander aufgeteilt, ohne auch nur einen Protest, einen einzigen Vergeltungsakt zu provozieren. Alles sprach dafür, daß Lysanders geheimes Imperium sich von einem Tag zum nächsten in Luft aufgelöst hatte.
    Einer der Detektive aber, ein Mann, der enge Beziehungen zur Hofburg pflegte, hatte erfahren, daß die unterirdischen Gewölbe immer noch bewohnt waren. Ja, er sei ziemlich sicher, sagte er, daß Lysander noch immer dort unten hause, von seinen

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