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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gekämpft hatten. Sie anzuheuern war müheloser gewesen, als Aura befürchtet hatte. Als sie zwei Wochen zuvor die ersten Pläne diesbezüglich erdacht hatte, war sie in den Papieren ihres Vaters auf die Anschrift eines Mannes gestoßen, der Soldaten und Waffen vermittelte. Nestor hatte seine Dienste bereits früher in Anspruch genommen, mehr als einmal, wie sich herausstellte. Aura hatte den Vermittler telegraphisch kontaktiert, mit einem Code, den sie ebenfalls in den Nestors Unterlagen fand. Gewürzhändler von Beruf, verhinderter Offizier von Berufung, hatte der Mann innerhalb weniger Tage eine schlagkräftige Truppe auf die Beine gestellt, die Aura ein halbes Vermögen gekostet hatte. Sie hoffte, daß es das wert war.
    Jetzt aber, in Begleitung der Männer auf dem Weg zu Lysanders Hauptquartier, packten sie Zweifel. Dies war das zwanzigste Jahrhundert, und sie hatte allen Ernstes vor, einen gewaltsamen Überraschungsangriff auf den einstigen Verbrecherkönig Wiens zu starten – ein Vorhaben, das ihr eher ins Mittelalter denn ins Zeitalter von Röntgenstrahlen und Wirkungsquantum zu gehören schien.
    Aber galt das nicht ebenso für die Alchimie? Aura wurde klar, daß im Umfeld von Lysander und ihrem Vater die Zeit scheinbar stehengeblieben war. Für sie galten keine Regeln der Neuzeit, und wer es mit ihnen aufnehmen wollte, der mußte sich darauf einstellen.
    Der Detektiv, der für Aura die meisten Informationen über Lysander gesammelt hatte, hatte ihr auf alten Karten der Kanalisation einen Weg ins Herz der Hofburgkeller aufgezeichnet; sie persönlich durch den Irrgarten der Tunnel und Stollen zu führen hatte er abgelehnt. Wie sich jedoch herausstellte, spielte das keine Rolle. Der Anführer des Söldnertrupps, ein Ungar namens Balássy, hatte nur einen langen Blick auf die Karten geworfen und war fortan imstande, den Weg aus dem Kopf zu rekonstruieren. Er habe im griechisch-türkischen Krieg in den Felsschluchten Thessaliens gekämpft, versicherte er kühl, und im Vergleich dazu sei ihr kleines Abenteuer hier in Wien wirklich nur ein Kinderspiel. Aura verabscheute Balássy ebenso wie den Rest seiner Männer, aber sie vergaß nicht, wie sehr sie auf ihre Unterstützung angewiesen war.
    Nach fast drei Stunden erreichten sie gegen Abend einen breiten Kanal, in dessen Mitte ein tiefer Wassergraben verlief. Mehr als einmal hatte Aura sich schon insgeheim gefragt, wieso Christopher nicht längst vor Schwäche zusammengebrochen war.
    »Der Karte nach hätten wir hier auf die ersten Posten stoßen müssen«, sagte Balássy und schaute sich argwöhnisch um. Wie die übrigen Söldner hielt er ein Sturmgewehr mit langem Bajonett im Anschlag. Der Ungar war nicht größer als Aura, mit kurzgeschnittenem schwarzem Haar und gezwirbeltem Schnauzbart. Die Uniform, die er trug, wirkte orientalisch, obgleich alle Abzeichen entfernt worden waren. Ein sonderbarer Zug lag um seinen Mund, den Aura abwechselnd für Verschlagenheit und Wagemut hielt. Balássy war ein gefährlicher Mann, bedrohlich in seinem Militarismus.
    Christopher warf Aura einen zweifelnden Blick zu, sagte aber nichts. Auch sie verzichtete auf eine Bemerkung. Allmählich kam sie sich, trotz aller Angst, ein wenig lächerlich vor.
    Sie setzten ihren Marsch fort, bis Balássy verkündete, sie müßten sich nun unterhalb der Hofburg befinden.
    »Was wird wohl geschehen, wenn die Wachmannschaft entdeckt, daß ein Söldnertrupp geradewegs in ihr Allerheiligstes marschiert?« flüsterte Christopher Aura ins Ohr.
    Darüber grübelte sie selbst schon seit Tagen nach. Am wahrscheinlichsten war, daß man sie kurzerhand als Hochverräter hinrichten würde.
    Selbst Balássy schien dieser Gedanke Sorge zu bereiten. »Falls man uns hier erwischt und Ihnen, Fräulein Institoris, Verbindungen zur deutschen Regierung nachweist, ist das eine Kriegserklärung. Ist Ihnen das eigentlich klar?« Sein Atem roch nach Kamille.
    »Es gibt keine« – sie verzog das Gesicht und ahmte seinen Tonfall. nach – »Verbindungen zur deutschen Regierung. Ich dachte, das hätte ich Ihrem Vorgesetzten klargemacht.« Damit meinte sie den Gewürzhändler; sie wußte, daß die Bezeichnung »Vorgesetzter« den Ungar kränken würde.
    Balássy schenkte ihr einen finsteren Blick, verzichtete aber auf eine Erwiderung. Statt dessen zischte er seinen Männern weitere Kommandos zu. Sie rückten jetzt zu einer Hufeisenformation zusammen, in deren Mitte Aura und Christopher gingen.
    Niemand stellte sich ihnen

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