Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin
Abschied vom Gebet und eilt hinaus. Tumult begrüßt ihn auf dem Hof. Weinende und klagende Frauen werden gerade von ein paar Mönchen aus dem Tor gedrängt. Das verletzte Mädchen liegt umringt von weiteren Mönchen am Boden. Es blutet stark. Nestor erkennt auf den ersten Blick, daß es Mara ist.
Schnell gibt er Anweisung, sie in die Kammer des Kräuterkundigen zu bringen. Dort wird Mara auf eine Liege gebettet. Sie kann nicht sprechen, vielleicht ist ihr Geist schon bei Gott. Nestor pflückt ein paar frische Kräuter, aber die meisten, die er benötigt, bewahrt der Kräuterkundige getrocknet in Töpfen und Tiegeln auf. Nestor findet auf Anhieb die richtigen. Mara hat schreckliche Wunden, sie stammen von einer Klinge. Es sieht aus, als habe jemand sie mit einem Messer oder Schwert angegriffen. Früher hat Nestor geglaubt, Mara werde einmal seine Frau werden. Das war, bevor er sich Gottes Gnade anvertraute. Aber jetzt entdeckt er, daß er das Mädchen noch immer liebt. Sie leiden zu sehen, zerreißt ihm schier das Herz.
Er zerstampft die Blätter des Beinwells mit Eiweiß und trägt sie auf die großen Wunden am Körper auf; er weiß, daß das die Hitze aus den Verletzungen zieht. Dann kocht er den Saft des Wintergrüns mit Schweineschmalz und streicht es auf die Schnitte in Maras Gesicht; Wintergrün steht unter dem Einfluß des Saturn und gilt als besonders gutes Wundenkraut. Er fertigt auch frische Salben aus Königskerze und Mutterkraut, aus Ysop und Gartenraute. Am Ende hat er all sein Wissen angewandt und weiß: Jetzt kann er nur noch hoffen und beten.
Als der Kräuterkundige am Abend zurückkehrt, lobt er Nestor für sein Geschick. Allerdings, so sagt er, sei das Mädchen trotz aller Mühen nicht mehr zu retten. Nestor bittet, es dennoch versuchen zu dürfen. Er allein wolle die Verantwortung tragen, er allein werde Tag und Nacht an Maras Seite ausharren. Sein Flehen und Weinen trägt Früchte, der Kräuterkundige gibt die Erlaubnis. Er vertraut Nestor. Er ist sicher, daß es die christliche Nächstenliebe ist, die Nestors Drängen gebiert, nicht etwa die Lust auf ein Weib.
Fünf Tage und Nächte sitzt Nestor an Maras Seite. Er schläft nur, wenn Gottes Wille ihm die Augen schließt. Aber der Herr ist gnädig. Die meiste Zeit über bleibt Nestor wach, erneuert Salben und Verbände, flüstert der bewußtlosen Mara hoffnungsvolle Worte zu, betet für sie. Einmal küßt er sie sogar. Irgendwann wird er den Pflanzen davon erzählen.
Einer der Mönche stellt Ermittlungen an, fragt im Dorf, was genau dem Mädchen zugestoßen sei. Keiner weiß darauf eine Antwort.
Einige Tage zuvor sei Mara verschwunden, von zu Hause fortgelaufen, heißt es. Ihre Eltern hätten sie einem Jungen aus dem Dorf zur Frau geben wollen, und Mara habe sich geweigert. Ihre wahre Liebe, so habe sie gesagt, liege unerreichbar fern in Gottes Schoß. Man habe deshalb angenommen, daß sie um Aufnahme in ein Nonnenkloster bitten wollte, als sie verschwand; keiner habe versucht, sie zu verfolgen. Dann aber, bald darauf, hätten ein paar Frauen sie beim Beerenpflücken im Wald entdeckt, in jenem schrecklichen Zustand. Mara habe kein Wort hervorgebracht, doch einige Spuren hätten darauf hingewiesen, daß sie vor jemandem auf der Flucht gewesen sei, als sie zusammenbrach. Eine tiefe Schneise im Dickicht habe tiefer hinein in die Wälder geführt, so tief, daß man es schließlich aufgegeben hätte, ihr weiter zu folgen.
Am selben Abend erliegt Mara ihren Verletzungen, ohne noch einmal zu Besinnung zu kommen.
Zwei Tage nach Maras Tod kündigt sich hoher Besuch an. Alle Mönche sind sehr aufgeregt. Ein Tempelritter nähert sich von Osten.
Nestor ist im Kräutergarten, als der Fremde eintrifft. Er hat den Pflanzen in den beiden vergangenen Tagen vieles anvertraut. Er hat ihnen erzählt, was er für Mara empfindet, auch nach ihrem Tod. Und er hat ihnen flüsternd gestanden, daß er Gott für ihren Tod verantwortlich macht.
Der Ritter ist ein großer, starker Mann mit grauem Haar. Er ist viel älter, als alle erwartet haben. Er heißt Morgantus, ein Name, den keiner zuvor je gehört hat, abgesehen vom Abt. Morgantus hat im Heiligen Land gekämpft, und beim Abendessen unterhält er die Mönche mit den Schilderungen seiner Heldentaten. Er ist flink mit der Zunge, verfügt über frommen (und nicht ganz so frommen) Witz und ist geschwind mit Komplimenten zur Hand. Bereits an diesem ersten Abend schafft er sich im Kloster viele Freunde.
Auch Nestor
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