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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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uns, hätte dein Vater es nicht anders gewollt.« Das war nicht ganz richtig, aber sie war viel zu aufgebracht, um das jetzt noch auseinanderzuhalten.
    Die Nachricht schien Sylvette tief zu treffen. Sekundenlang sagte niemand ein Wort, nicht einmal Lysander versuchte noch, sich zu verteidigen.
    Schließlich war es wieder Sylvettes zarte Stimme, die das Schweigen brach. »Es war Morgantus«, sagte sie und blickte Aura fest in die Augen. »Immer nur Morgantus.«
    »Was soll das heißen?«
    »Daß ich meinen Teil der Schuld auf mich geladen habe«, sagte Lysander, »große Schuld sogar – und daß doch nichts von dem, was du mir vorwirfst, auf meine Veranlassung hin geschah. Die Stimme, die du damals in Wien gehört hast, der Mann, der Gillian seinen Auftrag gab und das Schreiben an ihn in meinem Namen aufsetzte – das war Morgantus. Und er war es auch, auf dessen Befehl hin all diese Morde geschahen.«
    »Das soll ich glauben?« Der Abzug zog Auras Finger an wie ein Magnet. Daß Lysander jetzt versuchte, alle Schuld auf einen anderen abzuwälzen, vertiefte nur ihre Verachtung für ihn.
    »Du mußt ihm vertrauen«, flehte Sylvette; sie versuchte den Schild, den Aura um sich errichtet hatte, zu durchbrechen. »Was er sagt, ist die Wahrheit.«
    »Er hat dich belogen«, beharrte Aura. »Ich weiß nicht, was er mit dir gemacht hat, aber du kannst die Dinge offenbar nicht mehr so sehen, wie sie sind.« Dann dämmerte es ihr. »Ist es wegen Tess? Bist du deshalb auf seiner Seite?«
    »Geht es ihr gut?« fragte Sylvette besorgt.
    »Besser jedenfalls als dir und mir.«
    Lysander kam noch einen Schritt näher. Die Spitze seines Stocks verursachte ein helles Klacken auf dem Steinboden. Abermals verschoben sich die Schatten auf seinem Gesicht, wurden länger, dunkler.
    »Tess ist tatsächlich meine Tochter«, sagte er ernsthaft. »Und ich liebe sie ebenso wie Sylvette. Was geschehen ist, geschah nicht nach meinem Willen. Es war –«
    »Morgantus, natürlich«, sagte Aura voller Zynismus.
    »Ich verstehe deinen Zorn, Aura«, sagte der alte Mann beschwörend, »aber glaube mir, er trifft den Falschen.«
    »Eine Lüge wird nicht dadurch glaubwürdiger, daß man sie so oft wie möglich wiederholt.«
    Der Ausdruck auf Sylvettes Gesicht hätte Aura warnen müssen. Doch die Erkenntnis kam zu spät. Plötzlich holte ihre Schwester aus und schleuderte ihr mit aller Kraft die Kerze ins Gesicht. Sie traf Aura unter dem linken Auge, mit dem heißen Wachs zuerst. Sie schrie auf, stolperte zurück – und drückte ab.
    Ein hohles Schnappen.
    Kein Mündungsblitz. Keine Kugel.
    Alle drei starrten auf die Waffe. Niemand sagte ein Wort. Aura preßte ihre Hand auf das geprellte Auge, aber in Wahrheit spürte sie den Schmerz kaum. Sie schoß noch einmal, zielte dabei auf die Öffnung im Boden. Nichts – nur das metallische Schnappen des Hahns.
    Die Swanen hatten ihr leere Patronen verkauft. Alles war geplant gewesen, von Anfang an. De Dion mußte es gewußt haben. Nur deshalb hatte er gestattet, daß sie die Waffe behielt.
    Mit einem Fluch schleuderte Aura den Revolver in die Tiefe. Schnell, ohne einen Laut, verschwand er im Finsterdunst des Abgrunds. Dann schaute sie Sylvette an. Traurig, enttäuscht, aber ohne ein Wort des Vorwurfs.
    Sylvette gab sich Mühe, dem Blick ihrer Schwester standzuhalten. Es gelang ihr nicht allzu gut. »Er ist mein Vater«, sagte sie gedämpft.
    »Und er hat es verdient, daß du ihm zuhörst.«
    Aura stieß scharf die Luft aus, schloß sekundenlang die Augen, sah nichts als wirres Farbenzucken. Dann blickte sie wieder Lysander an. Sie standen jetzt alle drei rund um die Öffnung, keiner mehr als einen Schritt von der lockenden Tiefe entfernt.
    »Gut«, sagte Aura leise, »fangen Sie an.«
    ***
    Ob der Dachboden wirklich verlassen war, ließ sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Zumindest erweckte er diesen Anschein.
    »Hier ist keiner«, sagte Giacomo, doch sein Flüsterton verriet, daß er seinen eigenen Worten mißtraute. Gillian schätzte den Ordensbruder auf Anfang Sechzig, aber im Augenblick sah er zehn Jahre älter aus.
    Gillian ließ seinen Blick vom Eingang aus über das tropische Dickicht schweifen. Möglich, daß sich darin jemand verbarg. Im Laboratorium zumindest, das er von hier aus gut einsehen konnte, war niemand. Der Durchgang zu Nestors Bibliothek stand offen; auch dort gab es zahlreiche Verstecke. Was ihn aber stutzig machte, war die Tatsache, daß er Morgantus nach allem, was er über ihn gehört

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