Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
also, dachte Aura.
    »Er ist gestorben. Schon vor Jahren.«
    Sylvette blickte plötzlich an Aura vorüber. »Wo ist de Dion?« fragte sie, und ihre Stimme klang dabei hohl und verängstigt. »Hast du ihn gesehen?«
    Aura nickte langsam. »Er ist unten.«
    Sylvette schaute sie an, forschte inständig in Auras Augen nach etwas, das sie nicht finden konnte, einem Hoffnungsschimmer vielleicht, der über die momentane Erleichterung hinausging.
    Dann endlich sprach sie wieder, aber ihre Stimme klang hölzern.
    »Dann bist auch du seine Gefangene.«
    Aura überspielte ihre Verzweiflung. »Wir werden schon einen Weg finden, hier rauszukommen.« Und mit einem schalen Lächeln setzte sie hinzu: »Wir sind jetzt zu zweit, vergiß das nicht.«
    »Zu dritt«, sagte Sylvette.
    »Um so besser.«
    Sylvette drehte sich um und hob die Kerze vom Boden; sie brannte noch. »Laß uns nach oben gehen. Wir haben getrocknete Früchte, falls du Hunger hast.«
    Den hatte Aura tatsächlich, aber es erschien ihr falsch, jetzt ans Essen zu denken. Sie mußten Pläne schmieden, Gedanken sortieren, Ideen sammeln – alles, um diesem Gemäuer zu entfliehen.
    Dreißig, vierzig Stufen später erreichten sie das obere Ende der Treppe. Vor ihnen öffnete sich ein Gang, fünf Meter breit, erhellt von zahllosen Kerzen, die in sonderbaren Mustern am Boden und auf Absätzen in den Wänden standen. Es mußten Dutzende sein, und ihr Flackern setzte sich bis weit zum anderen Ende des Korridors fort. Etwa fünfzehn Meter vor ihnen befand sich jeweils im Boden und in der Decke eine runde, brunnengroße Öffnung, durch die graues Tageslicht hereinfiel. Die Wände rückten auf dem Weg dorthin enger zusammen.
    Noch einmal glitt Auras Blick über die Kerzenreihen rechts und links des Ganges. Einen Moment lang schien es ihr, als seien sie in der Form von Schriftzeichen aufgestellt. Dann aber waren es doch nur einfache Muster, manche zackig, andere gerundet.
    »Das ist … sehr schön«, sagte sie stockend. Sie fürchtete, daß es wenig überzeugend klang.
    Sylvettes Gesichtsausdruck aber hellte sich auf. Sie freute sich über das Lob. »Es gibt so wenig anderes, womit man sich hier oben die Zeit vertreiben kann, weißt du.« Es klang fast ein wenig beschämt, was Aura zum Anlaß nahm, das Lob noch einmal zu unterstreichen.
    »Ja, wirklich«, sagte sie, »das sieht wunderschön aus. Woher nimmst du all die Kerzen?«
    »Kerzen sind das einzige, wovon wir immer genug haben. De Dion bringt sie uns kistenweise. Das Gebäude war mal ein Kloster. Irgendwann hat man wahrscheinlich ganze Schiffsladungen von Kerzen hier eingelagert.« Sie lächelte, fast ein wenig wie früher. »Vermutlich reichen sie noch für ein paar hundert Jahre.«
    Sie setzte sich wieder in Bewegung und führte Aura den Gang hinunter, auf die Öffnungen in Boden und Decke zu. Die Kerzen verbreiteten angenehme Wärme, doch je näher sie nun den beiden Löchern kamen, desto kühler wurde es. Aura entdeckte, daß die Öffnungen eine Kreuzung markierten; rechts und links zweigten Gänge ab.
    Aura beugte sich zögernd über den Rand der Bodenöffnung, blickte hinab in die Tiefe. Es gab kein Geländer, nichts zum Festhalten, und wie ein Hagelschauer überkam sie die Angst, ihr Körper könne sich verselbständigen und gegen ihren Willen in den Abgrund springen. Fast panisch trat sie einen Schritt zurück.
    Längst hatte sie erkannt, wo sie sich befanden. Schon vom Berg aus hatte sie die kreuzförmige Brücke über dem Hof des Klosters gesehen, doch jetzt in ihrem Inneren zu stehen, inmitten der beiden Gänge, die sich über dem Abgrund kreuzten, war ein beängstigendes Gefühl. Der Boden des Hofes ertrank in Düsternis.
    »Wo ist der andere Gefangene, von dem du gesprochen hast?« fragte sie. »Und wo steckt eigentlich Lysander?«
    Sylvette trug immer noch die halb heruntergebrannte Kerze, obwohl es hier oben doch hell genug war. Sie legte den Kopf leicht schräg, während sie Aura ansah und zu einer Antwort ansetzte.
    Doch ein anderer kam ihr zuvor. »Hier – und hier«, sagte eine Stimme aus dem Dunkel der rechten Abzweigung. Dort brannten keine Kerzen, und das Licht der Kreuzung reichte nur wenige Schritte weit. Die Finsternis geriet in Wallung, wie ein stilles Gewässer, in das ein Stein fällt. Ein Umriß formte sich aus den Schatten. Jemand trat aus der Dunkelheit an den Rand des Lichtkreises.
    Aura wirbelte herum und machte einen Satz nach links, bis sich die Öffnung im Boden zwischen ihr und dem Mann

Weitere Kostenlose Bücher