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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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blickte den Gang hinunter zu einer offenen Tür. Die Kammer dahinter war von milchiger Helligkeit erfüllt. Von hier aus konnte er nicht sicher erkennen, ob sich jemand darin befand. Geräusche waren allerdings keine zu hören.
    Karisma blieb am Fuß der Treppe zurück, um ihnen einen möglichen Fluchtweg offenzuhalten. Gillian sah ihr an, dass sie nicht gerne hier wartete, aber genau wie er wusste sie, dass jemand die Treppe bewachen musste. Konstantin mochte guten Willens sein, aber dem Großmeister der Assassinen hatte er nichts entgegenzusetzen. Es war besser, wenn er in Gillians Nähe blieb.
    Die Kammer war annähernd rund. In ihrer Mitte stand ein Steinsockel, der Gillian bis zur Brust reichte. Die Lampe stand genau davor am Boden, sodass der Sockel einen langen, tiefschwarzen Schatten in den hinteren Teil des Raumes warf.
    Gillian und Konstantin hatten die Kammer bereits betreten, als sie die drei Gestalten erkannten, die sich im Schatten des Sockels befanden. Wie erstarrt blieben sie stehen.
    Cristóbal drückte die Pistolenmündung an Tess’ Kopf, während Gi-an benommen zu seinen Füßen kauerte. Das Gesicht des Jungen war voller Blut. Gillian konnte auf die Entfernung – etwa fünfzehn Meter – nicht erkennen, wie schwer seine Verletzung war. Cristóbal hat-te einen Ärmel von Gians Hemd abgerissen und den Jungen damit geknebelt. Tess presste er seine Hand auf den Mund und ließ sie erst sinken, als er sicher war, dass die beiden Männer weit genug in den Raum getreten waren.
    »Ich erschieße das Mädchen, wenn einer von Ihnen den Versuch macht, mir zu folgen.« Er ließ Gian liegen, wo er war, und schob Tess aus dem Schatten hinaus ins Licht, an der gewölbten Wand entlang, bemüht, den Abstand zu Gillian so groß wie möglich zu halten. »Da draußen ist noch jemand. Rufen Sie ihn herein.«
    Gillian hoffte, dass Konstantin jetzt keinen Fehler machte. Doch der Chevalier starrte nur grimmig zu Cristóbal hinüber. Gillian konnte ihm ansehen, dass er die Lage richtig einschätzte.
    »Karisma!«, rief Gillian über die Schulter in den Gang hinaus. »Er hat Tess. Komm zu uns.«
    Karisma erwiderte nichts, aber gleich darauf waren leise ihre Schritte zu hören, vorsichtig wie die Pfoten einer Raubkatze auf der Pirsch.
    Cristóbal sah seine Nichte an, als sie mit gezogenem Schwert den Raum betrat. »Ich wusste, dass so etwas passieren würde«, sagte er leise, und in seinen Worten schwang echte Betroffenheit mit. »Früher oder später würdest du eine von ihnen sein.«
    Die unterschiedlichsten Emotionen flackerten wie Feuerschein über Karismas Gesicht, doch dann erstarrten ihre Züge, und sie erwiderte den Blick ihres Onkels mit einer Kälte, die Gillian beinahe ebenso erschreckte wie Cristóbal. Ohne ein Wort trat sie an Gillians Seite. Ihre Schwertspitze schwebte eine Handbreit über dem Boden, der Giftstachel eines Skorpions, jederzeit bereit zuzustechen.
    »Ich wollte, dass du mir hilfst«, sagte Cristóbal. »Du hättest den Tempel der Schwarzen Isis gemeinsam mit mir wieder aufbauen können.« Er machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: »Du könntest es noch immer.«
    Karisma ging nicht darauf ein. »Lass einfach das Mädchen los.«
    »Oh, das werde ich bestimmt nicht tun.« Er zog Tess enger an sich. Ihre Augen weiteten sich für einen Moment, dann fasste sie sich wieder. »Legt die Schwerter auf den Boden und schiebt sie so weit ihr könnt von euch fort.«
    Nach kurzem Zögern kamen die drei der Aufforderung nach.
    »Gut«, sagte Cristóbal. »Jetzt dort hinüber, zu dem Jungen. Ganz langsam. Ich möchte jeden eurer Schritte genau sehen können.«
    Sie befolgten auch diesen Befehl. Gillian bewegte sich ein wenig schneller als die anderen, ging hastig neben Gian in die Hocke und löste den Knebel.
    »Vater!«, brach es heiser aus Gian hervor, und jetzt schnitten Tränen helle Bahnen in das Blut auf seinen Wangen.
    »Gian…« Es war ein merkwürdiges Gefühl, den Jungen nach all den Jahren wieder an sich zu drücken. Er war ihm nicht fremd geworden. Vielleicht war das die größte Erleichterung.
    Cristóbal schob Tess Richtung Eingang. »Ich gehe davon aus, dass draußen nicht noch mehr von euch sind?«
    Karisma nickte.
    Ihr Onkel seufzte. »Es hätte alles so einfach sein können.«
    Karisma schenkte ihm keine Beachtung mehr, ging neben Gillian und Gian in die Knie und untersuchte die Platzwunde des Jungen. Gian musterte sie kurz, ließ dann aber zu, dass sie die offene Stelle über seiner

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