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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Versteck hindeuten würde.« Er holte Luft, und als er sie wieder ausstieß, klang das Geräusch so zischelnd wie der Lockruf einer Schlange. »Also?«
    Tess’ Gedanken überschlugen sich. Alles drehte sich, alles wirbelte durcheinander. Er würde sie umbringen, wenn sie ihm die Wahrheit sagten.
    »Also?«, äffte Gian den Grafen nach, und aus seinen Augen sprühte Hass. »Was wollen Sie hören?«
    »Nur die Wahrheit, Junge. Nur die Wahrheit.«
    »Sie haben meine Mutter getötet.«
    »Ich habe sie nicht über Bord gestoßen.« Gians Finger krümmten sich zu Krallen. »Ohne Sie, ohne das alles hier…«
    Cristóbal unterbrach ihn mit einem listigen Lächeln. »Ohne dich, meinst du.« Er trat einen Schritt auf Gian zu. Jetzt lagen noch knapp zwei Meter zwischen ihnen. »Sie ist wegen dir gekommen, nicht we-gen mir.«
    Es war unfair, ihm seinen Verrat vorzuhalten, aber die Worte trafen ins Ziel wie ein Armbrustbolzen und beinahe ebenso wirkungsvoll. Gians Gesicht verzerrte sich wie unter Schmerzen, und seine Augen waren plötzlich kaum mehr seine eigenen. Tess hatte noch nie jemanden so hassen gesehen.
    »Den Gral wollen Sie?«, flüsterte er. Nein! durchfuhr es Tess. Tu das nicht! »Den Heiligen Gral von Montségur?«
    Cristóbal verzog keine Miene. Ausdruckslos starrte er auf den Jun-gen, in seinen Augen lag ein fiebriger Glanz.
    »Ich zeige Ihnen den Gral!«, sagte Gian so leise, dass Tess Mühe hatte, ihn zu verstehen. Aber sie wusste, dass Cristóbal jedes Wort hörte. Er hatte zu lange auf diesen Augenblick gewartet, seine Sinne waren nur noch auf dieses Ziel gerichtet.
    Gian stieß ein eisiges Lachen aus, fuhr mit dem Zeigefinger über den Boden und zerrieb den mehligen Staub der Jahrhunderte genüsslich zwischen seinen Fingerspitzen.
    »Hier ist er, Cristóbal«, sagte er lächelnd. »Hier ist Ihr gottverdammter Gral!«
    Am Landungssteg lagen zwei Leichen.
    Gillian beugte sich über die beiden toten Assassinen und konnte im ersten Moment keine Verletzung entdecken. Erst beim genaueren Hinsehen erkannte er, dass der schwarze Stoff über der Brust blutgetränkt war. Er riss die Kleidung des einen auf und fand einen winzigen Einstich, genau über dem Herz.
    »Der stammt nicht von einem Messer«, sagte er.
    Karisma nickte. »Zu klein.«
    »Wer hat das getan?«, fragte Konstantin.
    Gillian stand wieder auf und schaute sich um. Aus dem Gebäude drangen keine Laute, nichts, das auf Verfolger schließen ließ. Sein Blick glitt am Ufer des Sees entlang, wanderte dann zur Insel hinüber.
    Karisma hatte das ankernde Boot schon vor ihm gesehen. Sie deutete mit der ausgestreckten Hand darauf. »Das ist Cristóbal. Die anderen sind sicher bei ihm.«
    Gillian beschattete die Augen mit der Hand. Das weiße Motorboot lag ein Stück weit vor der Insel. Eine winzige Jolle war an den Felsen festgemacht. Die Distanz zu dem Eiland mochte zwei Kilometer betragen, vielleicht ein wenig mehr.
    Konstantin deutete auf die beiden kleineren Boote, die am Steg festgemacht waren. Die klobigen Motoren hatte man mit Hüllen aus gefettetem Leinen abgedeckt.
    Konstantin wollte einen Vorschlag machen, doch Gillian kam ihm zuvor. »Wir nehmen eines von denen«, sagte er. Der Chevalier zuckte nur die Achseln, sah Karismas wissendes Lächeln und schwieg.
    Wenig später trug das Boot sie mit dröhnendem Motor über den See. Gillian hätte eine Menge dafür gegeben, sich der Insel lautlos zu nähern. Aber ihnen blieb keine Wahl. Schwimmend hätten sie eine halbe Ewigkeit für diese Entfernung gebraucht, ganz zu schweigen von der Erschöpfung, mit der sie sich ihrem Gegner danach hätten stellen müssen.
    Etwa auf halber Strecke stieß Karisma einen Ruf aus, der im Lärm des Motors unterging. Aufgeregt deutete sie über den Bootsrand ins Wasser. Konstantin war sofort neben ihr.
    Gillian stoppte die Maschine, fuhr dann ein paar Meter zurück, bis sie die Stelle wieder erreicht hatten.
    Eine rote Wolke hatte sich auf der Oberfläche des Sees ausgebreitet. Von unten stieg Blut auf, in wallenden, pulsierenden Schüben.
    Karisma streckte einen Finger aus und berührte das Wasser. Ein feiner roter Schimmer blieb auf ihrer Haut zurück, stark verdünnt, und doch eindeutig.
    Einen Augenblick lang schwiegen alle drei, dann sagte Konstantin widerwillig: »Glauben Sie, Cristóbal hat auf dem Weg zur Insel eine Leiche über Bord geworfen?«
    »Möglich«, erwiderte Gillian heiser. Er überlegte kurz. »Wer immer dort unten eine solche Menge Blut verliert, ist

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