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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Geschwister. Sie haben Ihren Bruder getötet und so werden sie es auch mit uns anderen machen, wenn Sie Ihnen die Hesperide nicht ausliefern.«
    Keine Antwort. Nur Auras Stimme, verzerrt und hallend, dann immer leiser.
    »Severin, können Sie mich hören? Diese Leute wissen, dass Sie hier sind. Im Palais sind noch mehr von denen, und früher oder später werden die Sie aufstöbern.«
    »Octavian!«, brüllte Lysander mit heiserer Stimme. »Arbeiten Sie mit uns zusammen, und niemand wird Ihnen ein Leid zufügen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort!«
    Bavor trat näher an seinen Anführer heran. »Das müssen Dutzende Räume sein. Wir werden Stunden brauchen, um die alle zu durchkämmen.«
    Stunden brauchen , hallte es flüsternd von den Mauern wider.
    »Verdammter Narr!«, schnauzte Lysander ihn an.
    Kleinlaut duckte sich Bavor und machte einen Schritt zurück, fort aus der Reichweite seines Meisters. Und wieder traf sein hasserfüllter Blick Aura, so als wäre sie diejenige, die ihm all das eingebrockt hatte. Was nicht ganz von der Hand zu weisen war.
    Da erklang mit einem Mal die Stimme Severins. »Sie irren sich, Frau Institoris!«, rief er aus dem Nichts und von allen Seiten zugleich. »Ich war nie Sophias Verbündeter ! Ich war ihr Geschöpf, ihre Spielfigur, ihre Marionette. Und es ist niemals anders gewesen in diesem Haus: die Octavians waren ihrer Urmutter immer getreue Untertanen. Generation um Generation
um Generation. Wir sind so etwas wie ihre private Versuchsanordnung, benutzt und manipuliert nach ihrem Gutdünken. Wenn man von Kind an lernen muss, mit Willkür zu leben, dann wird Gehorsam irgendwann zur zweiten Natur.«
    Die Männer sahen sich aufmerksam nach ihm um, aber er konnte überall sein, hier unten im Parterre ebenso wie oben auf den beiden umlaufenden Galerien im ersten und zweiten Stock. Allein sie umfassten mehrere hundert Meter mit angrenzenden Räumen, ausreichend Platz für zahllose Verstecke.
    »Ihre Nichte Axelle hat Sophia nicht nachgegeben«, rief Aura, um ihn zu beschäftigen.
    Einen Moment lang schien er darauf nicht antworten zu wollen, aber dann hallte erneut seine Stimme durch die Weiten der Passage. »Axelle ist keine von uns! Sie ist ein Kuckuckskind in dieser Familie, Sophias leibliche Tochter, genau wie mein Stiefbruder Ludovico.«
    Lysander suchte den Blickkontakt mit Bavor und deutete nach rechts zu einer eisernen Treppe, die hinauf in die erste Etage führte. Der Wieselmann nickte und machte sich auf den Weg. Aus seiner Jacke zog er eine Pistole, während er nahezu lautlos die Stufen hinaufhuschte.
    »Wo ist Galathee?«, rief Aura.
    »Sie werden sie nicht bekommen«, erwiderte Severin. »Sie mag nicht vollkommen sein, aber sie ist das Beste, das ich je erschaffen habe.«
    Zeit gewinnen , formten Lysanders Lippen stumm in Auras Richtung.
    »Ist Galathee tatsächlich die Einzige, die Sie je zum Leben erweckt haben?«, rief sie in die Leere. »Und war das Ihr Verdienst  – oder nicht vielmehr das der Hesperide?«
    »Galathee lebt«, antwortete Severin trotzig, »das ist alles, was zählt. Die Mechanismen in ihrem Inneren arbeiten, wie ich es geplant hatte.«

    »Aber die Wahrheit ist doch, dass Sie diesen Erfolg nie wiederholen konnten! Sie haben es mir selbst gesagt: Galathee ist die Einzige, die in der Lage ist, sich selbst aufzuziehen. Alle anderen laufen ab wie Uhrwerke. Weil Bewegung allein kein Leben ist, dazu gehört Verstand!«
    Lysander nickte ihr zu. Offenbar gefiel ihm, wie sie Severin ablenkte. Ihr selbst erschien das alles wie Zeitverschwendung. Aber vielleicht sandte Lysander auch noch die beiden anderen Männer auf die Suche nach Galathee aus, und dann wäre sie allein mit ihm hier unten. Mit ihm und dem Gilgameschkraut.
    Jetzt erhob der Alte die Stimme. »Geben Sie uns diese Puppe, und wir werden Ihnen kein Haar krümmen!«
    »Und was dann? Meinen Sie, dass Sie die Hesperide ohne Sophias Hilfe aus ihr befreien können?« Severin stieß ein kurzes, schnarrendes Lachen aus. »Iduna und Galathee sind längst eins geworden, es gibt nur noch das Gliederkind!«
    Aura war jetzt ebenfalls sicher, dass Severins Stimme von oben kam. Sowohl im ersten wie auch im zweiten Stock gab es in der Mitte der Passage Brücken, die beide Seiten des Bauwerks miteinander verbanden. Auf der oberen – sechs, sieben Mannslängen über dem Boden – entdeckte sie einen dunklen Umriss. Kauerte dort jemand hinter dem Geländer? Durch all die geschmiedeten Eisenverzierungen war das auf

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