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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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ungeachtet muß ich bekennen, daß die erste Nacht, welche ich in diesen Zimmern hinbrachte, unaussprechlich traurig war. Die ganze Familie gab mir das Geleite bis in mein Gemach und ihr Abschiednehmen von mir und ihre Rückkehr, die öden Vorzimmer und hallenden Galerien entlang, erinnerten mich an jene Geistergeschichten, wo man den Helden allein läßt, um die Fährlichkeiten eines bezauberten Hauses zu bestehen.
    Selbst die Gedanken an die reizende Elisabeth und an die Schönheiten ihres Hofes, welche einst diese Zimmer verherrlicht hatten, erhöhten jetzt durch den Kontrast dieses Düster. Hier war der Schauplatz ihrer vorübergehenden Freude und Lieblichkeit; hier waren sogar noch die Spuren ihrer Zierlichkeit und ihrer Vergnügungen; allein was und wo waren sie? – Staub und Asche, Bewohner des Grabes, Schattenbilder des Gedächtnisses!
    Eine unbestimmte und unbeschreibliche Furcht überschlich mich. Ich hätte sie gern den Gedanken an Räuber, welche durch die Abendunterhaltung in mir geweckt worden, zugeschrieben, aber ich fühlte, daß es etwas nichtigeres und abgeschmackteres war. Mit einem Worte, die lange begrabenen Eindrücke der Ammenstube belebten sich wieder und behaupteten ihre Gewalt über meine Phantasie. Alles begann von dem Drängen meines Geistes angesteckt zu werden. Das Flüstern des Windes in den Zitronenbäumen unter meinem Fenster hatte etwas unheimliches. Ich warf meinen Blick auf den Garten der Lindaraxa; die Bäume bildeten einen Schlund voll Schatten, das Dickicht unbestimmte und gespenstische Gestalten. Ich war froh, als ich mein Fenster geschlossen hatte; allein selbst mein Gemach wurde angesteckt. Eine Fledermaus hatte den Weg herein gefunden und flatterte über meinem Kopfe und gegen meine einsame Lampe; die grotesken Gesichter, welche in die Cederndecke geschnitzt waren, schienen mich anzustarren und mir Gesichter zu schneiden.
    Mich zusammennehmend und über diese augenblickliche Schwäche halb lächelnd, entschloß ich mich, ihr Trotz zu bieten, nahm meine Lampe in die Hand und eilte fort, in dem alten Palast einen Spaziergang zu machen. Trotz aller geistigen Anstrengung war die Aufgabe ernst. Die Strahlen meiner Lampe verbreiteten sich nur in einer sehr beschränkten Entfernung um mich; ich ging gleichsam in einem bloßen Lichtkreis, jenseit dessen dichte Finsterniß herrschte. Die gewölbten Gänge glichen Höhlen; die Gewölbe der Säle waren in Dunkel vergraben; welcher ungesehene Feind konnte nicht vor mir oder hinter mir lauschen! mein eigner Schatten, der auf den Wänden spielte und der Widerhall meiner eigenen Fußtritte schreckten mich.
    Während ich in diesem erregten Zustand den großen Gesandtensaal durchschritt, kamen wirkliche Töne zu jenen muthmaßlichen Gebilden. Tiefes Stöhnen, unbestimmtes Rufen schien gewissermaßen unter meinen Füßen emporzusteigen; ich hielt an und lauschte. Es schien nun wieder außerhalb des Thurms zu schallen. Zuweilen klang es wie das Heulen eines Thieres, dann wieder war es ersticktes Schreien mit vernehmlichem Toben des Wahnsinns vermischt. Die durchschauernde Wirkung dieser Klänge, in dieser stillen Stunde und an dieser sonderbaren Stelle, benahm mir alle Lust, meinen einsamen Spaziergang fortzusetzen. Ich kehrte munterer in mein Gemach zurück als ich es verlassen hatte und athmete freier, als ich wieder innerhalb seiner Wände und die Thüre hinter mir verriegelt war. Als ich am Morgen erwachte und die Sonne durch mein Fenster herein schien und jeden Theil des Gebäudes mit ihren holden und wahrheitkündenden Strahlen beleuchtete, konnte ich mich kaum der Schatten und Trugbilder erinnern, welche das Düster der vergangenen Nacht herauf beschworen hatte, oder es glauben, daß die Scenen um mich her, so nackt und bekannt, sich mit solchen eingebildeten Schrecken hätten bekleiden können.
    Doch war das düstere Geheul und Rufen nichts eingebildetes; mein Mädchen Dolores gab mir Auskunft deßhalb; es war das Rasen eines Wahnsinnigen, eines Bruders ihrer Tante, der heftigen Anfällen unterworfen war, während deren man ihn in ein gewölbtes Zimmer unter dem Gesandten-Saal einsperrte.

Die Alhambra im Mondlichte.
    Ich habe ein Gemälde meiner Zimmer bei meiner ersten Besitznahme derselben gegeben; wenige Abende haben eine gänzliche Veränderung in der Scene und in meinen Gefühlen hervorgebracht. Der Mond, der damals unsichtbar war, hat allmählig Gewalt über die Nacht erlangt und zieht jetzt in vollem Glanze über den Thürmen

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