Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
das übrige. Man gebe einem Spanier Schatten im Sommer und die Sonne im Winter, etwas Brod, Zwiebeln, Oel, Erbsen, einen alten Mantel und eine Guitarre, so mag die Welt sich drehen wie sie will. Was Armuth! sie hat für ihn nichts beschimpfendes. Sie umgibt ihn mit einem grandiosen Styl, wie sein zerlumpter Mantel. Er ist ein Hidalgo selbst in Fetzen.
Die Söhne der Alhambra sind eine treffliche Veranschaulichung dieser praktischen Philosophie. Wie die Mauren glaubten, das himmlische Paradies hänge über diesem begünstigten Fleck, so bin ich manchmal geneigt zu denken, ein Abglanz von dem goldnen Zeitalter schwebe noch über der zerlumpten Bewohnerschaft. Sie haben nichts – sie thun nichts – sie sorgen für nichts. Und dennoch, obgleich sie augenscheinlich die ganze Woche müßig sind, beobachten sie alle Feiertage und Heiligenfeste eben so eifrig, wie der thätigste Handwerker. Sie besuchen alle Tänze und Feste zu Granada und dessen Umgebungen, zünden am Abend des St. Johannistags Freudenfeuer auf den Hügeln an, und haben neulich die mondhellen Nächte durchtanzt, um die Erndtefeuer eines kleinen Stück Feldes innerhalb der Veste, welches kaum einige Büschel Waizen abwarf, festlich zu begehen.
Ehe ich diese Bemerkungen schließe, muß ich einer der Unterhaltungen dieses Ortes gedenken, die mir besonders auffiel. Ich hatte öfter einen langen spanischen Kerl bemerkt, der auf dem Gipfel eines der Thürme saß, und zwei oder drei Angelruthen handhabte, als wollte er nach den Sternen angeln. Das Thun dieses Luftfischers setzte mich eine Zeit lang in Verlegenheit, und diese Verlegenheit wuchs, als ich andere bemerkte, welche auf gleiche Weise auf verschiedenen Theilen der Zinnen und Bastionen beschäftigt waren; das Geheimniß erschloß sich mir nicht eher, als bis ich Mateo Ximenes zu Rath zog.
Die reine und luftige Lage des Veste scheint sie, wie Macbeths Schloß, zu einem fruchtbaren Hecknest für Schwalben und andere Vögel gemacht zu haben, die mit der Feiertagslust von Jungen, welche eben aus der Schule gelassen worden, zu Tausenden um ihre Thürme spielen. Diese Vögel nun in ihrem gedankenlosen Umherkreisen mit Angeln, an denen Fliegen stecken, zu fangen, ist eines der Lieblings-Vergnügungen der zerfezten »Söhne der Alhambra,« welche mit dem zu nichts brauchbaren Witze ausgemachter Müßiggänger auf diese Art die Kunst erfunden haben, in dem Himmel zu angeln.
Der Löwenhof.
Der besondere Reiz dieses alten träumerischen Palastes besteht in seiner Macht, vage Träumereien und Bilder der Vergangenheit hervorzurufen, und so die nackte Wirklichkeit mit den Täuschungen des Gedächtnisses und der Einbildungskraft zu umkleiden. Da es mich ergötzt, in diesen »eiteln Schatten« zu wandeln, suche ich auch gern die Theile der Alhambra auf, welche diesem Schattenspiel des Geistes am günstigsten sind, und dies ist bei keinem mehr der Fall, als bei dem Löwenhofe und den Sälen umher. Hier ist die Hand der Zeit am sanftesten verfahren, und die Spuren maurischer Eleganz und Pracht bestehen fast noch in ihrem ursprünglichen Glanze. Erdbeben haben die Grundpfeiler dieses Gebäudes erschüttert, und ihre härtesten Thürme gespalten; allein sieh, nicht Eine jener schlanken Säulen kam aus ihrer Stelle, nicht Ein Bogen jenes leichten und gebrechlichen Ganges ist gewichen. Und all die niedliche Bildnerei an den gewölbten Decken, augenscheinlich so zart gehalten, wie die Crystalarbeit eines Morgenfrostes besteht noch nach dem Verlaufe von Jahrhunderten, und ist so neu, als käm sie eben aus der Hand des arabischen Künstlers. Ich schreibe inmitten dieser Andenken der Vergangenheit, in der frühen Stunde des Frühmorgens, in dem unglücklichen Saal der Abencerragen. Der blutbefleckte Brunnen, der Sage nach das Denkmal ihrer Ermordung, ist vor mir; der hohe Wasserstrahl sprengt fast seinen Thau auf mein Papier. Wie schwer ist es, die alte Geschichte von Gewaltthat und Blut mit dem lieblichen und friedvollen Schauspiele rundum zu vereinen! Alles scheint hier berechnet, freundliche und glückliche Gefühle zu erregen, denn alles ist mild und schön. Selbst das Licht fällt sanft von oben herab, durch die Laterne eines wie von Feenhänden gemalten und gearbeiteten Domes. Durch den weiten und mit Bildnerei gezierten Bogen des Portals sehe ich den Löwenhof in dem Glanz der Sonne, die seine Colonnaden entlang strahlt, und in seinem Brunnen funkelt. Die lebhafte Schwalbe senkt sich in den Hof, erhebt sich wieder
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