Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
sich dort verspätet, und schritt näher, um sie zu begleiten, als er zu seinem Erstaunen vier reich gekleidete Mauren erblickte, mit vergoldeten Harnischen, Säbeln und Dolchen, welche von kostbaren Steinen funkelten. Sie gingen feierlichen Schrittes auf und ab, standen jetzt aber still, und winkten ihm. Der alte Soldat aber ergriff die Flucht, und konnte nachher nie wieder dahin gebracht werden, die Alhambra zu betreten. So wenden Menschen manchmal ihrem Glück den Rücken; denn es ist Mateo’s fester Glaube, die Mauren hätten den Platz bezeichnen wollen, wo ihre Schätze verborgen liegen. Ein Nachfolger des Invaliden war klüger; er kam arm in die Alhambra, aber nach Verlauf eines Jahres reiste er nach Malaga, baute Häuser, hielt sich einen Wagen, und lebt noch dort als einer der reichsten, so wie der ältesten Leute des Ortes, was alles, wie Mateo weise ahnt, zufolge der Auffindung des goldnen Geheimnisses dieses gespenstischen Mauren geschah.
Boabdil el Chico.
Meine Unterhaltung mit dem Mann in dem Löwenhofe veranlaßte mich, über das seltsame Schicksal Boabdils nachzudenken. Seine Unterthanen nannten ihn
»el Zogoybi«
oder »der Unglückliche« und nie war ein Beiname besser angewendet. Sein Unglück begann fast in der Wiege. In seiner zarten Jugend wurde er von einem unmenschlichen Vater gefangen, und mit dem Tode bedroht, dem er nur durch eine List seiner Mutter entging; in spätern Jahren wurde sein Leben durch die Feindseligkeiten eines eroberungssüchtigen Oheims verbittert und öfter gefährdet; seine Regierung wurde durch Einfälle von außen und durch Entzweiungen im Innern beunruhigt; er war abwechselnd der Feind, der Gefangene, der Freund und immer der Spielball Ferdinands, bis die vereinte List und Macht dieses treulosen Königs ihn besiegte und entthronte. Verbannt aus seinem Heimathlande flüchtete er zu einem Fürsten Afrika’s, und fiel ruhmlos in einer Schlacht, für die Sache eines Fremden fechtend. Sein Unglück hörte aber noch nicht mit seinem Tode auf. Wenn Boabdil den Wunsch hegte, in der Geschichte ehrenvoll genannt zu werden, – wie grausam wurde er dann in seinen Hoffnungen getäuscht! Wer hat der romantischen Geschichte der maurischen Herrschaft in Spanien die geringste Aufmerksamkeit gewidmet, ohne bei der angeführten Abscheulichkeit Boabdils vor Zorn zu erglühen? Wen haben die Leiden seiner lieblichen und holden Gemalin, welche er, auf eine falsche Anklage der Untreue, zu einer Probe auf Leben und Tod verurtheilte, nicht gerührt? Wen hat es nicht empört, daß er in einem Anfall von Zorn seine Schwester und seine zwei Kinder umgebracht haben sollte? Wem hat das Blut nicht gekocht bei dem unmenschlichen Morde der tapfern Abencerragen, die er, der Erzählung zufolge, sechs und dreißig an der Zahl, in dem Löwenhof enthaupten ließ? Alle diese Anklagen sind in mannigfachen Formen wieder zum Vorschein gebracht worden; sie gingen in Balladen, Dramen und Romanzen über, bis sie in dem Gemüthe des Publikums zu fest Wurzel gefaßt hatten, als daß man sie hätte vernichten können. Jeder Fremde von Bildung, der die Alhambra besucht, fragt nach dem Brunnen, wo die Abencerragen gemordet worden; und blickt mit Schrecken auf die vergitterte Galerie, wo, der Sage nach, die Königin gefangen saß; jeder Bauer der Vega und der Sierra singt die Geschichte in rohen Strophen zur Begleitung seiner Guitarre, während seine Zuhörer selbst den Namen Boabdils verwünschen lernen.
Nie jedoch wurde ein Mann schmähliger und unbilliger verläumdet. Ich habe alle authentischen Chroniken und Briefe untersucht, welche von Spaniern, den Zeitgenossen Boabdils, geschrieben wurden; manche derselben besaßen das Vertrauen des katholischen Herrscherpaars, und waren während des ganzen Krieges in dem Lager gegenwärtig gewesen. Ich habe alle arabische Quellen, welche ich vermittelst Uebersetzungen benutzen konnte, geprüft, und kann nicht finden, was diese schwarze und gehässige Anklage rechtfertigt. Das ganze dieser Erzählungen läßt sich auf ein Werk zurückführen, was gewöhnlich den Titel hat: »die bürgerlichen Kriege von Granada,« und eine angebliche Geschichte der Streitigkeiten der Zegries und Abencerragen während der letzten Zuckungen der maurischen Herrschaft enthält. Dieses Werk erschien ursprünglich in spanischer Sprache, und sollte von einem Gines Perez de Hila, einem Eingebornen von Murcia, aus dem Arabischen übertragen seyn. Es wurde seitdem in mehrere Sprachen übersetzt, und
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