Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
und dem Ruhme der maurischen Herrscher, den Gebietern dieses Gebäudes, Unsterblichkeit verkündeten. Er schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern, als er sie übersetzte. »Das wäre wohl der Fall gewesen,« sagte er; »die Mosleminen könnten noch jetzt in der Alhambra regieren, wäre Boabdil kein Verräther gewesen, und hätte er die Hauptstadt den Christen nicht übergeben. Die spanischen Monarchen wären nie im Stande gewesen, sie in offnem Kampf zu erobern.«
Ich bemühte mich, das Andenken des unglücklichen Boabdil von diesem Flecke zu reinigen, und zu zeigen, daß die Streitigkeit, welche zum Sturze des maurischen Thrones geführt, ihren Ursprung in der Grausamkeit seines tigerherzigen Vaters gehabt hätten; aber der Maure ließ keine Rechtfertigung gelten.
»Mulei Hassan,« sagte er, »mag grausam gewesen seyn; allein er war tapfer, wachsam, ein Freund des Vaterlandes. Wäre er recht unterstützt worden, so wäre Granada unser geblieben; allein sein Sohn Boabdil durchkreuzte seine Plane, lähmte seine Macht, säete Verrath in seinen Palast und Zwiespalt in sein Lager. Der Fluch Gottes komme auf ihn wegen seiner Verrätherei.« Mit diesen Worten verließ der Maure die Alhambra.
Der Zorn meines beturbanten Gefährten stimmt mit einer Anecdote überein, die mir ein Freund erzählte, welcher während einer Reise in der Berberei den Pascha von Tetuan gesprochen hatte. Der maurische Statthalter fragte sehr eifrig nach dem Land, und vorzüglich nach dem glücklichen Gebiete Andalusiens, den Wonnen Granada’s und den Ueberbleibseln des königlichen Palastes daselbst. Die Antworten weckten alle jene theueren den Mauren so tief im Herzen ruhenden Erinnerungen an die Gewalt und den Glanz ihrer alten Herrschaft in Spanien. Der Pascha wandte sich zu seinem mohamedanischen Gefolge, raufte seinen Bart, und brach in leidenschaftliche Klagen aus, daß solch eine Herrschaft den echten Gläubigen entrissen worden. Er tröstete sich jedoch mit der Gewißheit, daß die Macht und das Glück der spanischen Nation im Abnehmen sey, und daß eine Zeit kommen würde, wo die Mauren ihr rechtmäßiges Land wieder eroberten; daß der Tag vielleicht nicht mehr fern sey, wo der mohamedanische Gottesdienst wieder in der Moschee von Cordova gefeiert, und ein mohamedanischer Prinz auf seinem Throne in der Alhambra sitzen würde.
Der Art ist der allgemeine Wunsch und Glaube unter den Mauren der Berberei, die Spanien und besonders Andalusien für ein rechtmäßiges Erbe ansehen, dessen sie durch Verrath und Gewalt beraubt worden. Diese Gedanken werden von den Nachkommen der verbannten Mauren von Granada, welche in den Städten der Berberei zerstreut sind, genährt und fortgepflanzt. Viele derselben wohnen zu Tetuan, behalten ihre alten Namen, z. B. Paez und Medina, bei, und versagen es sich, in irgend eine Familie zu heirathen, welche nicht auf gleich hohe Abstammung Ansprüche hat. Ihr gerühmtes Geschlecht wird mit einem Grad von Ehrfurcht von dem Volke betrachtet, welchen man bei Mohamedanern erblichen Vorzügen, ausgenommen in dem königlichen Stamme, selten erzeigt.
Diese Familien sollen fortwährend nach dem irdischen Paradiese ihrer Vorfahren seufzen, und Freitags in ihrer Moschee Gebete anstellen, Allah anflehend um die Beschleunigung der Zeit, wo Granada den Rechtgläubigen wieder zugestellt wird, ein Ereigniß, dem sie eben so sehnsüchtig und vertrauungsvoll entgegen sehen, wie die christlichen Kreuzfahrer der Entdeckung des heiligen Grabes. Ja, man setzt hinzu, einige derselben bewahrten noch die alten Karten und Urkunden der Besitzungen und Gärten ihrer Vorfahren zu Granada, und sogar die Schlüssel ihrer Häuser, welche sie als Beweise ihrer erblichen Ansprüche aufheben, um sie an dem Tag der gehofften Wiederherstellung des alten Zustandes vorzuzeigen.
Der Löwenhof hat auch seinen Theil übernatürlicher Sagen. Ich habe bereits des Glaubens an das Murmeln von Stimmen und das Klirren von Ketten gedacht, Töne, welche man den Geistern der ermordeten Abencerragen zuschreibt. Mateo Ximenes erzählte vor einigen Abenden bei einer der Gesellschaften in der Dame Antonia Gemache eine Thatsache, welche sich während der Lebzeiten seines Großvaters, des segenreichen Schneiders, zugetragen hatte.
Ein Invalide hatte die Pflicht über sich, die Alhambra den Fremden zu zeigen. Als er eines Abends in der Dämmerung durch den Löwenhof ging, hörte er in dem Saal der Abencerragen Fußtritte. Er dachte, einige Besucher hätten
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