Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
aufwärts, und schießt zischend über die Dächer dahin; die geschäftige Biene treibt sich summend unter den Blumenbeeten umher, und bunte Schmetterlinge flattern von Pflanze zu Pflanze und fliegen dann empor und spielen mit einander in der sonnigen Luft. Die Phantasie braucht sich nur sehr wenig anzustrengen, um sich irgend eine sinnige Schönheit des Harems zu mahlen, welche in diesen abgeschlossenen Plätzchen orientalischer Ueppigkeit weilt.
Der aber, welcher diese Scene gern mehr im Einklang mit ihrem Geschick sehen möchte, muß kommen, wenn die Schatten des Abends den Glanz des Hofes mildern, und ihr Düster über die Säle umher verbreiten. Es kann dann nichts heiter-wehmüthigeres, oder mit der Geschichte entschwundener Größe übereinstimmenderes geben.
In solchen Stunden suche ich wohl auch den Saal der Gerechtigkeit auf, dessen tiefe schattenvolle Arkaden sich am obern Ende des Hofes hinziehen. Hier wurde in Gegenwart von Ferdinand und Isabella und ihres siegtrunkenen Geleites, das festliche Hochamt bei der Besitznahme von Alhambra gehalten. Das Kreuz ist sogar noch auf der Wand zu sehen, an welcher der Altar stand, und wo der Groß-Kardinal von Spanien und andere der höchsten kirchlichen Würdenträger des Landes den Gottesdienst hielten. Ich malte mir das ganze Schauspiel, als das siegreiche Heer diesen Ort füllte, dieses Gemisch von Prälaten in ihrem Ornat, und von geschornen Mönchen, von stahlbepanzerten Rittern und seidnen Höflingen, wenn Kreuze und Krummstäbe und Kirchenfahnen sich mit den stolzen Wappenzeichen und den Bannern der Edlen Spaniens mischt, und im Triumph über diese arabischen Säle flattert. Ich male mir Columb, den künftigen Entdecker einer Welt, wie er in einem fernen Winkel seinen bescheidenen Platz nimmt, ein demüthiger und vernachläßigter Zuschauer des Festgepränges. Meine Phantasie läßt mich dieß katholische Herrscherpaar sehen, wie es sich vor dem Altar niederwirft, und seinen inbrünstigen Dank für den Sieg darbringt, während die Gewölbe die heiligen Gesänge und das lauttönende
Te Deum
widerhallten.
Die kurze Täuschung ist vorüber – das Fest entschwindet dem innern Auge – Monarchen, Priester und Krieger kehren in die Vergessenheit zurück, so wie die armen Mosleminen, über welche sie triumphirten. Ihre Siegshalle ist öde und leer. Die Fledermaus fliegt um ihr Dämmergewölbe und die Eule krächzt auf dem nahen Thurm des Comares.
Als ich vor einigen Abenden in den Löwenhof trat, erschrack ich über den Anblick eines beturbanten Mauren, der ruhig am Brunnen saß. Es schien einen Augenblick, als ob eines der Märchen des Ortes sich verwirklicht, und ein alter Bewohner der Alhambra den Zauber von Jahrhunderten vernichtet hätte, und sichtbar geworden wäre. Es fand sich aber, daß es ein gewöhnlicher Sterblicher war, ein Eingeborner von Tetuan in der Berberei, der einen Laden in dem Zacadin von Granada hatte, wo er Rhabarber, Flittern und Wohlgerüche feil hielt. Da er das Spanische geläufig sprach, konnte ich mich mit ihm unterhalten, und fand ihn klug und verschlagen. Er sagte mir, er komme zuweilen im Sommer den Hügel herauf, um einen Theil des Tages in der Alhambra hinzubringen, wo er an die alten Paläste in der Berberei erinnert werde, welche in einem ähnlichen Style, obgleich mit weniger Pracht, gebaut wären.
Als wir im Palast umhergingen, zeigte er auf verschiedene arabische Inschriften, welche viele poetische Schönheit enthielten.
»Ja, Sennor,« sagte er, »als die Mauren Granada inne hatten, waren sie ein muntreres Volk, als sie heut zu Tage sind. Sie dachten nur an Liebe, Musik und Poesie. Sie machten Verse bei jeder Gelegenheit, und setzten sie alle in Musik. Der, welcher die beste Verse machen konnte, und die, welche die klangvollste Stimme hatte, konnten der Gunst und Beförderung gewiß seyn. Wenn in jenen Tagen jemand Brod forderte, hieß es: mach’ mir einen Vers; und der ärmste Bettler, welcher in Reimen bettelte, wurde oft mit einem Goldstück belohnt.«
»Und ist das so verbreitete Gefühl für Poesie,« sagte ich, »bei euch jetzt gänzlich verloren?«
»Keineswegs, Sennor; das Volk der Berberei, selbst aus den niedrigsten Klassen, macht noch immer wie in den alten Tagen, Verse, und auch gute Verse; allein das Talent wird nicht belohnt wie ehedem; der Reiche zieht das Klingeln seines Goldes dem Klang der Poesie und Musik vor.«
Während er sprach, heftete sich sein Auge auf eine der Inschriften, welche der Macht
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