Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Florian hat vieles in seinem Gonsalvo von Cordova daraus genommen; seitdem hat es in gewissem Grad das Ansehen eines wirklichen Geschichtswerkes in Anspruch genommen, und wird gewöhnlich von dem Volk, besonders aber von den niedern Klassen Granada’s, geglaubt. Das ganze ist jedoch eine Masse von Dichtungen mit wenigen entstellten Wahrheiten vermischt, welche ihm das Ansehen geschichtlicher Treue geben. Es enthält innere Proben seiner Falschheit, indem die Sitten und Gebräuche der Mauren darin auf das übertriebenste entstellt, und Begebenheiten geschildert werden, welche ganz unverträglich sind mit ihren Gewohnheiten und ihrem Glauben, und von einem mohamedanischen Schriftsteller nie berichtet worden wären.
Ich gestehe, es scheint mir in den absichtlichen Verdrehungen dieses Buches etwas fast Verbrecherisches zu liegen: man muß der romantischen Dichtung ohne Frage einen großen Spielraum zugestehen; allein es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf, und die Namen ausgezeichneter Todten, welche der Geschichte angehören, dürfen nicht mehr verläumdet werden, als die berühmten Lebenden. Auch hätte man denken sollen, der unglückliche Boabdil habe wegen seiner zu rechtfertigenden Feindseligkeit gegen die Spanier genug gebüßt, da er seines Thrones beraubt worden, und man brauche seinen Namen nicht noch so muthwillig zu beflecken, und ihn zu einem Schimpfwort und zum Gegenstande der Schmach in seinem Heimathland und selbst in der Wohnung seiner Väter zu machen!
Damit soll nicht behauptet werden, daß die Handlungen, welche Boabdil zugeschrieben werden, ohne alle historische Begründung sind; so weit man ihnen aber folgen kann, scheinen sie von seinem Vater, Aben Hassan, ausgegangen zu seyn, der sowohl von christlichen [als auch] arabischen Geschichtschreibern als ein Mann von wildem und grausamem Charakter geschildert wird. Er war es, der das berühmte Geschlecht der Abencerragen morden ließ, weil er sie im Verdacht einer Empörung hatte, durch die er von seinem Thron gestoßen werden sollte.
Auch die Geschichte der Beschuldigung gegen die Gemalin Boabdils und ihrer Einkerkerung in einen der Thürme, läßt sich als ein Begebniß in dem Leben seines tigerherzigen Vaters nachweisen. Aben Hassan heirathete in seinen vorgerückten Jahren noch eine schöne christliche Gefangene von edler Abkunft, welche den maurischen Namen Zorayde annahm, und mit der er zwei Söhne hatte. Sie war von ehrgeizigem Charakter, und bemüht, ihren Kindern die Nachfolge auf dem Throne des Vaters zu sichern. Zu diesem Zwecke wirkte sie auf das argwöhnische Gemüth des Königs, und entflammte ihn mit Eifersucht gegen die Kinder seiner andern Weiber und Beischläferinnen, die sie der Anschläge gegen seinen Thron und sein Leben bezüchtigte. Einige derselben wurden von dem wilden Vater ermordet. Ayxa la Horra, die tugendhafte Mutter Boabdils, welche einst die ganze Liebe seines Herzens besessen hatte, wurde gleichfalls ein Gegenstand seines Verdachtes. Er sperrte sie und ihren Sohn in den Thurm des Comares, und hätte Boabdil seiner Wuth geopfert, wenn ihn seine Mutter nicht des Nachts vermittelst ihrer und ihrer Dienerinnen Schärpen vom Thurme gelassen, und so in den Stand gesetzt hätte nach Guadix zu flüchten.
Dieß ist der einzige Schatten einer Begründung der Geschichte der angeklagten und gefangenen Königin, den ich auffinden konnte, und nach diesem erscheint Boabdil als der Verfolgte, nicht aber als der Verfolger.
Während des ganzen Zeitraums seiner kurzen, stürmischen und unglücklichen Herrschaft, gibt Boabdil Beweise eines milden und freundlichen Charakters. So gewann er sich durch seine leutseligen und anmuthigen Sitten die Herzen des Volkes, war stets friedfertig, und ließ diejenigen, welche sich gegen ihn empört, niemals die Strenge seines Armes fühlen. Er war persönlich tapfer, allein es fehlte ihm an moralischem Muthe, und in schwierigen und wirren Zeiten war er schwankend und unentschlossen. Diese Schwäche seines Geistes beschleunigte seinen Fall, während sie ihn jener heroischen Grazie beraubte, welche seinem Schicksale Größe und Würde gegeben, und ihn werth gemacht hätte, das glänzende Drama der mohamedanischen Herrschaft in Spanien zu schließen.
Erinnerungen an Boabdil.
Während die Schicksale des unglücklichen Boabdil meinen Geist noch lebhaft beschäftigten, begab ich mich daran, die mit seiner Geschichte verbundenen Andenken, welche noch in diesem Schauplatze seiner Herrschaft und
Weitere Kostenlose Bücher