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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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Gerichtes zu erwarten.«
    »Sohn des Abu Ajeeb,« rief Aben Habuz, »du hast viele Länder gesehen und wunderbare Dinge beobachtet; allein wozu nützt mich das Geheimniß der Pyramide und das gelehrte Buch des weisen Salomon?«
    »Wohl kann es dir nützlich werden, o König! durch das Studium dieses Buches unterrichtete ich mich in allen magischen Künsten und habe über den Beistand der Geister zur Förderung meiner Plane zu gebieten. Das Geheimniß des Talismans von Borsa ist mir daher bekannt und ich kann einen solchen Talisman, ja, einen von noch höherer Kraft fertigen.«
    »O weiser Sohn des Abu Ajeeb,« rief Aben Habuz, »ein solcher Talisman wäre besser als alle Wartthürme auf den Hügeln, und als alle Wachen an den Grenzen. Gib mir einen solchen Schirm und alle Reichthümer meiner Schatzkammer sollen zu deinem Befehle seyn.«
    Der Astrologe begab sich sogleich an die Arbeit, um den Wünschen des Königs Genüge zu thun. Er ließ auf der Höhe des königlichen Palastes, welcher auf dem Scheitel des Albayan-Hügels stand, einen großen Thurm bauen. Dieser Thurm ward von Steinen erbaut, die aus Egypten gebracht worden und, wie man sagte, von einer der Pyramiden genommen waren. In dem obern Theil des Thurms war ein runder Saal, dessen Fenster nach allen Punkten des Compasses sahen, und vor jedem Fenster war ein Tisch, auf welchem, wie auf einem Schachbrett, ein kleines Heer von Reiterei und Fußvolk nebst einem Ebenbild des Potentaten, der in jener Richtung herrschte, alle aus Holz geschnitzt, aufgestellt waren. Für jeden dieser Tische war eine kleine Lanze da, nicht dicker als eine Nadel, auf welcher gewisse chaldäische Charaktere gegraben waren. Dieser Saal wurde stets verschlossen gehalten; die Thüren waren von Erz und das Schloß von Stahl; der Schlüssel dazu befand sich in des Königs’ Händen.
    Auf der Spitze des Thurms war die auf einem Stiften befestigte Bronzstatue eines maurischen Reiters, mit einem Schild in dem einen Arm und seine Lanze senkrecht tragend. Das Gesicht dieses Reiters war der Stadt zugewendet, als wache es über sie; wenn aber ein Feind sich näherte, wandte sich die Statue in dieser Richtung und legte die Lanze wie zum Angriff ein.
    Als dieser Talisman fertig war, wurde der König ganz ungeduldig, seine Kraft zu erproben und sehnte sich eben so sehr nach einem Einfall, als er je nach Ruhe geseufzt hatte. Sein Wunsch wurde bald erfüllt. Eines Morgens frühe brachte die Schildwache, welche den Thurm zu bewachen hatte, die Nachricht, das Gesicht des bronzenen Reiters sey gegen die Berge von Elvira gewendet und seine Lanze zeige genau nach dem Paß von Lope.
    »Laßt die Trommeln und Trompeten zu den Waffen rufen,« sagte Aben Habuz. »ganz Granada soll sich bereit machen.«
    »O König,« sagte der Astrologe: »beunruhige deine Stadt nicht und laß deine Krieger nicht zu den Waffen rufen; wir bedürfen den Beistand des Heeres nicht, um dich von deinen Feinden zu befreien. Entlasse deine Diener und laß uns allein in den geheimen Saal des Thurmes gehen.«
    Der alte Aben Habuz stieg, sich auf den Arm des noch ältern Ibrahim Ebn Abu Ajeeb lehnend, die Thurmtreppe hinan. Sie schlossen das eherne Thor auf und traten ein. Das Fenster, welches gegen den Paß von Lope sah, war offen. »In dieser Richtung,« sagte der Astrologe, »liegt die Gefahr: nähere dich, o König, und betrachte das Geheimniß des Tisches.«
    König Aben Habuz näherte sich dem anscheinenden Schachbrett, auf welchem die kleinen hölzernen Bilder aufgestellt waren, als er zu seinem Erstaunen bemerkte, daß sie alle in Bewegung waren. Die Rosse bäumten und hoben sich, die Krieger schwangen ihre Waffen, und man hörte das leise Klingen von Trommeln und Trompeten und das Schallen von Waffen und das Wiehern der Rosse; aber alles nicht lauter und deutlicher als das Summen von Bienen oder den Sommerfliegen in das schläfrige Ohr dessen tönt, der am Nachmittag im Schatten liegt.
    »Sieh, o König,« sagte der Astrologe, »einen Beweis, daß deine Feinde jetzt eben zu Felde gezogen sind. Sie müssen durch jene Berge, durch die Engpässe von Lope, vorgerückt seyn. Wenn du einen panischen Schrecken und Verwirrung unter sie bringen und sie ohne Blutverlust in die Flucht jagen willst, so triff diese Bilder mit dem Knopf dieser magischen Lanze; willst du aber Mord und Blutbad unter ihnen anrichten, so triff sie mit der Spitze.«
    Ein schwarzgelber Streif flog über das Gesicht des friedlichen Aben Habuz, er faßte die kleine

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