Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
was zu seinem und dem Gebrauch der Garnison bestimmt sey, abgabenfrei durch die Stadt gehen müsse. Dieses Vorrecht hatte nach und nach zu einem ausgedehnten Schleichhandel Veranlassung gegeben. Eine Hecke Schmuggler ließen sich in den Hütten der Alhambra und den zahlreichen Höhlen der Nachbarschaft nieder, und trieben unter dem Beistand der Soldaten der Besatzung ein sehr einträgliches Gewerbe.
Die Wachsamkeit des Generals war rege. Er hielt mit seinem Rechtsanwalt und Factotum, einem schlauen, rührigen Escribano, oder Notar, Rath, der sich freute, eine Gelegenheit zu haben, den alten Potentaten der Alhambra zu necken, und ihn in ein Labyrinth von juristischen Spitzfindigkeiten zu verwickeln. Er rieth dem General, auf dem Rechte, alles, was durch die Stadt ging, untersuchen zu dürfen, zu bestehen, und erwieß dieses Recht in einem langen Briefe. Statthalter Manco war ein grade ausgehender, derber alter Soldat, der einen Escribano mehr als den Teufel haßte, und eben diesen mehr als alle andere Escribano’s.
»Was?« sagte er, und drehte seinen Schnurrbart zornig empor: »heißt der General diesen Federmann, mich in Verlegenheit setzen? Ich will ihm zeigen, daß ein alter Soldat sich nicht durch Schulweisheit verblüffen läßt.«
Er nahm seine Feder und kritzelte mit rauher Hand einen kurzen Brief, worin er, ohne sich herabzulassen, in Beweise einzugehen, auf dem Rechte freien Durchgangs, ohne belästigendes Nachsuchen, bestand, und jedem Mauthbeamten Rache drohte, der seine ungeheiligte Hand an irgend eine von dem Banner der Alhambra geschützte Sendung legte. Während diese Frage von den zwei eigensinnigen Herrschern behandelt wurde, begab es sich, daß eines Tages ein mit Vorrath für die Veste beladenes Maulthier an dem Thore des Xenil ankam, durch welches es auf seinem Wege zur Alhambra eine der Vorstädte passiren sollte. An der Spitze des Geleites war ein mürrischer alter Korporal, der lange unter dem Statthalter gedient hatte, und ein Mann nach seinem Herzen war, so fest und rostig, wie eine alte Toleder-Klinge. Als sie dem Stadtthore nahe kamen, steckte der Korporal das Banner der Alhambra auf den Packsattel des Maulthiers, richtete sich kerzengrade empor, und schritt mit vorwärts gerichtetem Kopfe, aber dem achtsamen Seitenblick eines Hundes einher, der durch feindlichen Boden geht, und zum bellen und beißen bereit ist.
»Wer da?« fragte die Wache am Thor.
»Soldat der Alhambra« sagte der Korporal, ohne den Kopf zu wenden.
»Was habt ihr geladen?«
»Lebensmittel für die Besatzung.«
»Weiter!«
Der Korporal zog, von dem Geleite gefolgt, stracks vorwärts, hatte aber nur wenige Schritte gemacht, als ein Haufe Mauthbeamte aus einem kleinen Zollhause stürzten.
»Halt da!« rief der Erste. »Maulthiertreiber, halt und öffne deine Päcke.«
Der Korporal machte rechts um, und stellte sich schlagfertig auf. »Achtet die Banner der Alhambra,« sagte er; »diese Sachen sind für den Statthalter.«
»Was geht uns der Statthalter an! Was geht uns seine Flagge an! Maulthiertreiber halt, sage ich.«
»Haltet dieß Thier auf eure Gefahr an!« rief der Korporal, den Hahn seines Gewehrs spannend; »Maulthiertreiber, weiter!«
Der Maulthiertreiber gab seinem Thier einen tüchtigen Puff; der Mauthbeamte sprang hervor, und faßte die Halfter, worauf der Korporal zielte, und ihn todt schoß.
Die Straße war sogleich in Aufruhr. Der alte Korporal wurde ergriffen, und nachdem er manche Stöße, Schläge und Prügel erhalten hatte, die der spanische Pöbel als Vorgeschmack der nachfolgenden Strafe aus dem Stegreife austheilte, wurde er mit Ketten beladen, und in das Stadtgefängniß geführt, während seine Kameraden mit der Ladung, welche gehörig durchsucht worden war, nach der Alhambra zu ziehen Erlaubniß erhielten.
Der alte Statthalter war in furchtbarer Hitze, als er diese Beleidigung an seinem Banner und die Gefangennahme des Korporals erfuhr. Eine Zeitlang tobte er in den maurischen Sälen herum, schnaubte auf der Bastion, und blickte Feuer und Schwert auf den Palast des Generals hinab. Als er seiner ersten Wuth Luft gemacht hatte, schickte er einen Boten ab, und forderte die Uebergabe des Korporals, da ihm das Recht zustehe, über die Vergehen derer, die unter seinem Befehle ständen, zu Gericht zu sitzen.
Der General, von der Feder des frohen Escribano unterstützt, antwortete sehr ausführlich, und legte dar, das Verbrechen sey innerhalb der Stadtmauern und an einem Civildiener
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