Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
kleinen Kinder Wohl zu opfern; »denn,« sagte sie, »Ihr kennt den alten Statthalter zu gut, als daß Ihr zweifeln könnt, er werde seine Drohung nicht ausführen, wenn Ihr den alten Soldaten hängt.«
Ihre Klagen und Thränen, und das Jammergeschrei der nackten Brut besiegten den General. Der Korporal wurde unter Bewachung, in seinem Galgenkleid, wie ein bekapuzter Mönch, aber geraden Hauptes und eisernen Gesichts in die Alhambra gebracht. Der Escribano wurde, dem Vertrag zufolge, dagegen verlangt. Der sonst so rührige und selbstzufriedene Mann des Rechts wurde eher todt als lebendig aus seinem Loche hervorgeholt. Alle seine Gewandtheit und List war dahin; sein Haar soll vor Schrecken fast ganz ergraut gewesen seyn, und sein Blick war traurig und trübselig, als fühlte er noch den Strick um seinen Hals.
Der Statthalter blieb mit untergestemmten Armen stehen, und betrachtete ihn einen Augenblick mit eisernem Lächeln. »Fortan, mein Freund,« sagte er, »mäßigt Euern Eifer, Andere an den Galgen zu bringen; seyd Eurer Sicherheit nicht zu gewiß, wenn Ihr auch das Recht auf Eurer Seite haben solltet; und vor allem, seht Euch vor, wenn ihr wieder Eure Schulweisheit an einem alten Soldaten üben wollt.«
Statthalter Manco und der Soldat.
Wenn Statthalter Manco, oder der Einarmige, sich einigermaßen mit seiner Besatzung in der Alhambra zeigen wollte, so ärgerte er sich über die Vorwürfe, die man seiner Vestung immer machte, sie sey ein Heckenest für Schurken und Schleichhändler. Plötzlich beschloß der alte Herrscher eine Reform; er ging kräftig zu Werk, und warf ganze Vagabunden-Nester aus der Veste und den Zigeunerhöhlen, von welchen die Hügel umher durchlöchert sind. Auch sandte er Soldaten aus, welche die Wege und Stege durchstreifen, und alle Verdächtige aufgreifen mußten.
Eines klaren Sommer-Morgens saß eine solche Streifwache, bestehend aus dem mürrischen alten Korporal, der sich in der Notarsgeschichte ausgezeichnet hat, einem Trompeter und zwei Gemeinen, unter der Gartenmauer des Generalife, an der Straße, welche von dem Sonnenberg herab führt, als sie das Trampeln eines Pferdes und eine männliche Stimme hörten, welche in rauhen, obgleich nicht unmusikalischen Tönen ein altes kastilianisches Kriegslied sang.
Alsbald erblickten sie einen starken, sonneverbrannten Kerl, der, in die zerlumpte Uniform eines Infanteristen gekleidet, ein kräftiges arabisches Pferd, auf die alte maurische Art herausgeputzt, führte.
Der Korporal war über den Anblick eines fremden Soldaten, der, ein Roß am Zügel, diesen einsamen Berg niederstieg, sehr erstaunt, schritt vorwärts und rief ihn an.
»Wer da?«
»Gut Freund.«
»Wer und was seyd Ihr?«
»Ein armer Soldat, der eben aus dem Felde kommt, und als Lohn einen zerschlagenen Hirnschädel und leeren Beutel mitbringt.«
Sie waren unterdessen in den Stand gesetzt worden, ihn genauer zu betrachten. Er hatte ein schwarzes Pflaster über der Stirne, was, nebst einem graulichen Barte, den dem Teufel trozenden Charakter seines Gesichtes noch erhöhte, während ein leichtes Schielen über das Ganze einen gelegentlichen Strahl schelmischer Laune warf.
Als der Soldat die Fragen der Streifwache beantwortet hatte, schien er sich berechtigt zu erachten, auch dergleichen vorzubringen. »Darf ich fragen,« sagte er, »welche Stadt ich am Fuße des Hügels sehe?«
»Welche Stadt?« rief der Trompeter: »nun, das ist zu arg. Treibt sich dieser Bursche hier um den Sonnenberg herum, und fragt nach dem Namen der großen Stadt Granada!«
»Granada!
Madre de Dios!
ist es möglich?«
»Vielleicht nicht!« versetzte der Trompeter; »und Ihr habt vielleicht keine Vorstellung davon, daß jenes die Thürme der Alhambra sind?«
»Sohn einer Trompete,« versetzte der Fremde, »scherze nicht mit mir; und wenn jenes wirklich die Alhambra ist, so führt mich hin, ich habe dem Statthalter seltsame Dinge zu berichten.«
»Dazu werdet Ihr Gelegenheit haben,« sagte der Korporal, »denn wir gedenken euch vor ihn zu führen.« Mittlerweile hatte der Trompeter den Zügel des Pferdes gefaßt, jeder der beiden Gemeinen hatte sich eines Arms des Soldaten bemächtigt, der Korporal selbst stellte sich an die Spitze des Zugs, kommandirte »Vorwärts – marsch!« und dahin ging der Zug der Alhambra zu.«
Der Anblick eines zerlumpten Infanteristen und eines schönen arabischen Pferdes, welche die Streifwache eingebracht hatte, zog die Aufmerksamkeit aller Müßiggänger der Veste
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