Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
sich für maustodt.
Dies wäre ziemlich harmlos, ja, selbst der Königin und den Höflingen ganz gelegen gewesen, wenn er sich bequemt hätte, in der für einen Todten passenden Ruhe zu bleiben. Zu ihrer Qual bestand er aber darauf, die Leichenzeremonien mit sich vorgenommen sehen zu wollen und begann zu ihrer unaussprechlichen Verwirrung, ungeduldig zu werden und über ihre Nachlässigkeit und Geringschätzung, ihn so lange unbegraben zu lassen, bitter zu schelten. Was war zu thun? Den bestimmten Befehlen des Königs nicht zu gehorchen, war in den Augen der dienstwilligen Höflinge eines pünktlichen Hofes scheuslich – aber ihnen zu gehorchen und ihn lebendig zu begraben, wäre offenbarer Königsmord gewesen.
Mitten in dieser fürchterlichen Verlegenheit erreichte das Gerücht von einer Künstlerin, die ganz Andalusien den Kopf verdrehte, den Hof. Die Königin sandte in aller Eile Boten ab, sie nach Sanct Ildefonso zu bescheiden, wo damals der Hof residirte.
Als einige Tage darauf die Königin mit ihren Staatsdamen in jenen prächtigen Gärten lustwandelte, welche mit ihren Gängen, Terrassen und Brunnen den Ruhm von Versailles auszustechen bestimmt waren, wurde die weitberühmte Künstlerin vor sie geführt. Die königliche Elisabeth blickte erstaunt auf das jugendliche und anspruchslose Aeußere des kleinen Wesens, welches der Welt den Kopf verrückte. Sie war in ihrer malerischen andalusischen Tracht, hielt ihre Silberlaute in der Hand und stand mit bescheiden gesenkten Augen, aber in einer Einfachheit und Frische der Schönheit da, welche in ihr stets noch »die Rose der Alhambra« ankündigte.
Wie gewöhnlich war sie von der immer wachsamen Fredegonda begleitet, welche der wißbegierigen Königin die ganze Geschichte ihrer Abstammung und Herkunft erzählte. Wenn die hohe Elisabeth von Jacinta’s Aeusserem freundlich angesprochen worden war, so freute sie sich noch mehr, als sie erfuhr, daß sie aus einem verdienten obgleich herabgekommenen Geschlechte stammte und daß ihr Vater im Dienste der Krone als braver Krieger gefallen war. »Wenn dein Talent deinem Rufe gleich kömmt,« sagte sie, »und du diesen bösen Geist bannen kannst, der in deinem Könige wohnt, so soll fortan dein Glück meine Sorge seyn und Ehren und Reichthum werden dich erwarten.«
Ungeduldig, ihre Geschicklichkeit zu erproben, begab sie sich alsbald in das Gemach ihres launenvollen Gemals.
Durch Reihen von Wachen und Schaaren von Höflingen folgte Jacinta mit gesenktem Auge. Sie kamen endlich in ein großes Gemach, das schwarz ausgelegt war. Die Fenster waren geschlossen, um kein Taglicht eindringen zu lassen: eine Anzahl gelber Wachskerzen auf silbernen Leuchtern verbreiteten ein düsteres Licht und zeigten schwach die Gestalten von Dienern in Trauerkleidern, und von Höflingen, die mit geräuschlosem Schritt und verzweifeltem Gesicht umher schlichen. In der Mitte lag auf einem Paradebett, die Hände auf der Brust gefaltet, und bis zur Spitze der Nase verhüllt, der gern-begraben-seyn-wollende Monarch ausgestreckt.
Die Königin trat schweigend in das Gemach, zeigte auf einen Schemel in einem dunkeln Winkel und winkte Jacinta, sich niederzulassen und anzufangen.
Anfangs rührte sie die Laute mit bebender Hand, dann aber faßte sie Muth, und wurde während des Spiels erregt und ließ eine so himmlische Musik hören, daß alle Anwesenden vor Staunen und Entzücken außer sich waren. Der Monarch aber, der sich bereits in der Welt der Geister glaubte, dachte die Musik der Engel oder der Sphären zu hören. Allmählig wechselte der Vortrag und die Stimme der Künstlerin begleitete das Instrument. Sie sang eine der alten Balladen von dem ehemaligen Ruhm der Alhambra und den Thaten der Mauren. Ihre ganze Seele ging in den Vortrag ein, denn mit den Erinnerungen an die Alhambra war die Geschichte ihrer Liebe verwebt. Dies Todtengemach hallte von dem belebenden Gesange wieder. Er fand den Weg in das düstere Herz des Königs. Er hob sein Hand und schaute rund um: er richtete sich in seinem Bette auf, sein Auge begann zu glänzen – endlich sprang er auf den Boden und rief nach Schild und Schwert.
Der Triumph der Musik, oder vielmehr der bezauberten Laute, war vollkommen; der Geist der Schwermuth war verscheucht und gewissermaßen ein Todter in das Leben zurückgerufen worden. Die Fenster des Gemaches wurden geöffnet; der glorreiche Glanz spanischen Sonnenscheins drang in die gewesene Todtenkammer; alle Augen suchten die holde Zauberin;
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