Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
begangen worden, es sey also klar, daß es unter seine eigne Gerichtsbarkeit gehöre. Des Statthalters Brief wiederholte sein Verlangen. Der General gab ein Schreiben von weit größerer Länge und voll juristischen Scharfsinnes zurück; der Statthalter wurde heiser und bestimmter in seinem Begehren, und der General kühler und länger in seinen Antworten, bis der alte löwenherzige Soldat wirklich vor Wuth brüllte, sich so in die Netze juristischer Spitzfindigkeiten verwickelt zu sehen.
Während der schlaue Escribano sich so auf Kosten des Statthalters erlustigte, leitete er das Verhör des Korporals, der, in ein enges Verlies eingesperrt, nur ein kleines vergittertes Fenster hatte, durch welches er den Freunden einen Theil seines Gesichts zeigen, und ihre Tröstungen empfangen konnte.
Ein Berg von geschriebenen Zeugnissen war, nach spanischem Brauch, von dem unermüdlichen Escribano aufgehäuft worden; der Korporal war durch dieselben vollkommen überwältigt. Er wurde des Mordes überführt, und verdammt, gehangen zu werden.
Vergebens schickte der Statthalter Einreden und Drohungen von der Alhambra herab. Der unglückliche Tag kam heran, und der Korporal wurde
in capilla
gebracht, d. h. in die Kapelle des Geheimnisses, wie man es stets mit Verbrechern vor dem Tage ihrer Hinrichtung hält, damit sie über ihr herannahendes Ende nachdenken, und ihre Sünden bereuen können.
Als der alte Statthalter sah, daß es auf das Aeußerste gekommen war, beschloß er, persönlich nach dem Stand der Dinge zu sehen. Zu diesem Ende ließ er seine Staatskutsche herausholen, und rumpelte, von seinen Wachen umgeben, den Weg der Alhambra nieder in die Stadt. Er fuhr vor das Haus des Escribano, und ließ ihn an die Thüre rufen.
Das Auge des Statthalters glänzte wie eine Kohle, als er den freundlichen Mann des Rechts mit einer frohlockenden Miene herankommen sah.
»Was muß ich hören,« sagte er, »ihr wollt einen meiner Soldaten hängen?«
»Alles nach dem Gesetz – alles in strenger Form Rechtens,« sagte der selbstzufriedene Escribano, kichernd und sich die Hände reibend. »Ich kann Eurer Excellenz das ganze geschriebene Zeugenverhör zeigen.«
»Holt es hierher!« sagte der Statthalter. Der Escribano eilte in seine Arbeitsstube, froh, daß er eine neue Gelegenheit hatte, auf Kosten des hartköpfigen Veterans seinen Witz zu zeigen.
Er kam mit einem Bündel Papiere zurück, und begann mit der Zungenflüchtigkeit solcher Leute eine lange Aussage vorzulesen. Unterdessen hatte sich ein Haufe Menschen gesammelt, die mit ausgestreckten Hälsen und offenem Munde zuhörten.
»Höre, Mensch,« sagte der Statthalter, »setze dich in den Wagen, damit ich dich, fern von diesem verdammten Gedränge besser hören kann.«
Der rothe Escribano setzte sich in den Wagen; auf einen Wink wurde die Wagenthüre geschlossen, der Kutscher ließ die Peitsche spielen – Maulthiere, Wagen und Alles flog wie ein Wetter dahin, und ließ die Menge in gaffendem Staunen. Der Statthalter ruhte nicht eher, als bis er seine Beute in einem der stärksten Kerker der Alhambra verwahrt sah.
Darauf schlug er in militärischem Styl einen Waffenstillstand vor, und trug auf Friedensabschluß oder Auswechselung der Gefangenen – des Korporals und des Notars – an. Der Stolz des Generals war getroffen; er schickte eine wegwerfende abschlägliche Antwort zurück, und ließ mitten auf der Plaza Nueva einen hohen und starken Galgen zur Hinrichtung des Korporals bauen.
»Oho! ist es so gemeint?« sagte der Statthalter Manco. Er gab seine Befehle, und augenblicks wurde am Rande der großen vorspringenden Bastion, welche den Platz überschaute, ein Galgen errichtet. »Jetzt,« ließ er dem General sagen, »jetzt hängt meinen Soldaten, wenn’s Euch beliebt; aber in derselben Minute, wo er über dem Platze schwebt, werdet Ihr Euern Escribano in den Lüften baumeln sehen.«
Der General war unbeugsam; Truppen wurden auf dem Platz aufgestellt; die Trommeln schlugen, die Glocken hallten. Eine unermeßliche Menge von Liebhabern sammelte sich, um die Hinrichtung zu sehen. Andrerseits stellte der Statthalter seine Besatzung auf der Bastion auf, und ließ das Grablied des Notars von der Torre de la Campana oder dem Glockenthurm herabläuten.
Die Frau des Escribano drängte sich, mit einer ganzen Schaar kleiner Embryo-Escribanos auf der Ferse, durch die Menge, warf sich dem General zu Füßen, und bat ihn, dem Stolze nicht ihres Gatten Leben, ihr und ihrer zahlreichen
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