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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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zerfressener Band philosophischer Maximen, machte seine Lieblingslectüre aus. Ueber diesem lag und brütete er Tag um Tag und wendete jeden Grundsatz auf sich selber an, vorausgesetzt, daß er einen kleinen Beigeschmack von Bitterkeit hatte und von der Ungerechtigkeit der Welt handelte.
    Bei allem dem ist er gesellig und gutmüthig, und, wenn man ihn von seinen Kränkungen und seiner Philosophie abbringen kann, ein ganz unterhaltender Genosse. Ich habe die alten wetterzerschlagenen Söhne des Schicksals gern und freue mich ihrer ungeschmückten Kriegsanekdoten. Als ich unserm Veteran meinen Besuch machte, erfuhr ich einige merkwürdige Thatsachen über einen alten militärischen Befehlshaber der Veste, welcher in mancher Beziehung viel Aehnlichkeit mit ihm gehabt und in dem Kriege gleiche Schicksale erlebt zu haben scheint. Diese Einzelnheiten sind durch Nachforschungen bei einigen der alten Bewohner des Ortes vermehrt worden, besonders bei dem Vater des Mateo Ximenes, in dessen mährchenhaften Geschichten der Treffliche, den ich jetzt bei dem Leser einführen will, einen Lieblingshelden abgibt.

Der Statthalter und der Notar.
    In frühern Zeiten herrschte als Statthalter der Alhambra ein männlicher alter Herr, der, weil er einen Arm im Kriege verloren hatte, allgemein unter dem Namen el Gobernador Manco, oder der einarmige Statthalter bekannt war. Er that sich wirklich viel darauf zu gut, ein alter Soldat zu seyn, trug seinen Schnurrbart bis zu den Augen hinauf gedreht, ein Paar Ordonnanz-Stiefel und einem Toledo (Säbel) so lang wie ein Spieß, mit dem Taschentuch in dem Säbelkorb.
    Ferner war er ungemein stolz und empfindlich und hielt sehr auf seine Privilegien und Würden. Unter seiner Herrschaft wurden die Vorrechte der Alhambra, als königliche Residenz und Domaine, auf das strengste gehandhabt. Niemand durfte mit einem Feuergewehr, oder auch nur mit Säbel und Stock in die Vestung kommen, wenn er nicht von einem gewissen Range war; und jeder Reiter mußte am Thore absteigen und sein Pferd am Zügel führen. Da nun der Hügel der Alhambra sich aus der Mitte der Stadt Granada erhebt und gewissermaßen ein Auswuchs der Stadt ist, so muß es allzeit für den Ober-General, der den Befehl über die Provinz hat, etwas lästig seyn einen Staat im Staat, einen kleinen unabhängigen Posten in der Mitte seines Gebietes zu haben. In dem vorliegenden Falle wurde dieses Verhältniß noch verdrießlicher durch die reizbare Eifersucht des alten Statthalters, welcher bei der geringsten Frage hinsichtlich des Vorrangs und der Gerichtsbarkeit Feuer fing, so wie durch den lockern landstreicherischen Charakter des Volkes, das sich nach und nach in der Veste, wie in einem Heiligthum eingenistet hatte und von da aus auf Kosten der ehrsamen Bewohner der Stadt ein wahres Diebs-und Räuberleben trieb.
    So gab es zwischen dem General und dem Statthalter der Vestung ein stetes Hadern und Streiten, was von Seiten des letzteren um so heftiger war, in so fern der kleinere von zwei benachbarten Herrschern stets am hartnäckigsten auf seine Würde hält. Der stattliche Palast des Generals stand auf der Plaza Nueva, unmittelbar am Fuße des Hügels der Alhambra, und hier war stets die Scene des lärmenden Prunkens der Wagen und Bedienten und der Stadt-Offizianten. Eine vorragende Bastion der Veste überschaute den Palast und den Platz vor demselben; und auf dieser Bastion stolzirte der alte Statthalter gelegentlich auf und ab, seinen Toledo um die Hüfte gegürtet, und seinen Nebenbuhler mit scharfem Auge beaufsichtigend, wie ein Habicht seinen Raub aus seinem Neste in einem dürren Baume belugt.
    So oft er in die Stadt herabkam, geschah es stets in großem Staat, zu Pferd, von seiner Wache umgeben, oder in seiner Staatskutsche, einem alten unbehülflichen spanischen Bau von zierlich ausgeschnittenem Holz und vergoldetem Leder, von acht Maulthieren gezogen, von Läufern, Vorreitern und Lakaien umringt; bei solchen Gelegenheiten schmeichelte er sich, als Stellvertreter des Königs jeden Begegnenden mit Schrecken und Bewunderung zu erfüllen; obgleich die Witzbolde der Stadt, besonders die, welche um den Palast des Generals herumstrichen, über seinen kleinlichen Prunk spotteten, und, auf den lockern Charakter seiner Untergebenen anspielend, ihn mit dem Namen des »Bettlerkönigs« begrüßten. Eine der fruchtbarsten Quellen des Haders zwischen diesen zwei männlichen Nebenbuhlern war das von dem Statthalter angesprochene Recht, daß alles,

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