Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
aber die Laute war aus ihrer Hand gefallen, sie war niedergesunken und wurde im nächsten Augenblick an die Brust von Ruyz de Alarcon gepreßt.
Die Hochzeit des glücklichen Paares wurde bald darauf mit großem Glanze gefeiert; doch still – ich höre den Leser fragen, wie Ruyz de Alarcon sein langes Schweigen entschuldigte? O, daran war allein der Widerstand eines stolzen, eigensinnigen alten Vaters Schuld; überdies kommen junge Leute, die wirklich einander gern haben, bald zu einem freundlichen Einverständniß und begraben alle früheren Beschwerden, wenn sie sich wiedersehen.
Aber wie kam es, daß der stolze eigensinnige Vater in die Heirath willigte?
O, ein oder zwei Worte der Königin verscheuchten bald alle seine Bedenklichkeiten, besonders da es Würden und Belohnungen auf den blühenden Liebling der Königin regnete. Ueberdies besaß, wie Ihr wißt, Jacinta’s Laute eine Zaubermacht, welche über den eigensinnigsten Kopf und die härteste Brust gebieten konnte.
Und was wurde aus der bezauberten Laute?
O, dies ist das allermerkwürdigste bei der Sache und beweist offenbar die Wahrheit der ganzen Geschichte. Diese Laute blieb eine Zeitlang in der Familie, wurde aber von dem großen Sänger Farinelli, wie man glaubte, aus bloßer Eifersucht, entwendet und weggebracht. Nach seinem Tode kam sie in Italien an andere Besitzer, welche mit ihrer geheimnißvollen Macht unbekannt waren, das Silber einschmolzen und mit den Saiten eine alte Cremoneser Geige bezogen. Die Saiten haben noch etwas von ihrer magischen Kraft. Ein Wort in des Lesers Ohr, aber erzählt es nicht weiter – diese Geige bezaubert jetzt die ganze Welt – es ist die Geige Paganini’s.
Der Veteran.
Zu den seltsamen Bekanntschaften, die ich bei meinen Streifereien um die Veste gemacht habe, gehört ein braver und mürber alter Invalidenobrist, der sich wie ein Habicht in einem der maurischen Thürme eingenistet hat. Seine Geschichte, welche er sehr gern erzählt, ist ein Gewebe jener Abentheuer, Unfälle und Widerwärtigkeiten, welche das Leben fast eines jeden Spaniers von Ansehen eben so bunt und wunderlich gestalten, wie die Blätter des Gil Blas.
Er war mit seinem zwölften Jahre schon in Amerika und rechnet es zu seinen bedeutungsvollsten und glücklichsten Erlebnissen, General Washington gesehen zu haben. Seitdem hat er an allen Kriegen seines Vaterlandes Theil genommen; er kann aus Erfahrung von den meisten Gefängnissen und Kerkern der Halbinsel sprechen; er wurde an einem Fuß gelähmt, an den Händen verstümmelt und so zerhauen und zerfetzt, daß er eine Art wandelnden Monumentes aller Unruhen Spaniens ist, an welchem man für jede Schlacht und jeden Strauß eine Schmarre sehen konnte, wie auf Robinson Crusoe’s Baum jedes Jahr eingekerbt war. Das größte Unglück des braven alten Herrn scheint jedoch gewesen zu seyn, daß er während einer Zeit der Gefahr und Verwirrung zu Malaga kommandirt hatte und von den Einwohnern zum General gemacht worden war, um sie gegen den Einfall der Franzosen zu schützen. Dies hat ihn in eine Menge gerechter Ansprüche an den Staat verwickelt, welche, wie ich fürchte, ihn bis zu seinem Todestage mit Schreiben und Drucken von Bittschriften und Vorstellungen beschäftigen werden, zur großen Beunruhigung seines Geistes, zur Erschöpfung seiner Börse und zur Buße seiner Freunde, deren keiner ihn besuchen kann, ohne dem Vorlesen eines furchtbaren, eine halbe Stunde langen Aktenstückes zuhören und ein halbes Dutzend Flugschriften in seinen Taschen mitnehmen zu müssen. Dies ist aber in Spanien überall so: allenthalben stößt man auf einen verdienten Wicht, der in einer Ecke brütet und irgend einen Lieblingsschmerz oder ein theures Unrecht nährt. Ueberdies kann man annehmen, daß in Spanien, der einen Prozeß oder einen Anspruch an die Regierung hat, mit Beschäftigung für sein ganzes übriges Leben versehen ist.
Ich habe den Veteran in seinem Quartier in dem obern Theil des Torre del Vino, oder Wein-Thurm besucht. Sein Zimmer war klein aber niedlich und hatte eine schöne Aussicht auf die Vega. Es war mit der Einfachheit eines Soldaten eingerichtet. Drei Flinten und ein Paar Pistolen, alle glänzend und hell, hingen nebst einem Säbel und einem Stocke an der Wand und über ihnen zwei Krämphüte, der eine für die Parade, der andere für den Alltagsgebrauch. Ein kleines Brett, auf dem ein halbes Dutzend Bücher standen, machte seine Bibliothek aus; eines derselben, ein kleiner alter
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