Die Alpen
viel Gutes war.
Die Helden güldner Zeit sind bald, nach vielen Siegen,
Durch List und Schmeichelei dem Himmel zugestiegen,
Die Welt verehrte tot, wer lebend sie verheert,
Und Babels Jupiter war eines Rades wert.
Selbst Laster durften sich den Göttern zugesellen,
Und Menschen ihre Schmach der Welt zum Beispiel stellen,
Geiz, Lügen, Üppigkeit, und was man tadeln kann,
Saß gülden beim Altar und nahm den Weihrauch an.
Man füllte nun die Welt mit Tempeln und mit Hainen
Und die mit Göttern an. Bedeckt mit Edelsteinen,
Nahm bald der Priester auch des Pöbels Augen ein
Und wollte, wie sein Gott, von ihm verehret sein.
Drauf herrschte der Betrug, bewehrt mit falschen Zeichen,
Und mußte von der Welt die scheue Freiheit weichen,
Die Wahrheit deckte sich mit tiefer Finsternis,
Vernunft ward eine Magd und Weisheit Ärgernis;
So ließ die Vorwelt sich die Macht zum Denken rauben,
Und alles bog das Knie vor schlauem Aberglauben. Es sind Zeiten gewesen, da dieser Satz nur eine kleine Einschränkung litte. Zu denselben gehören die barbarischen Jahrhunderte vom zehnten bis zum fünfzehnten, wo nur noch wenige Menschen hier und dar in der größten Bedrückung die Wahrheit suchten und liebten und der Aberglaube in allen Kirchen der Welt die herrschende Religion war.
Erschrecklich Ungeheur! sein Wüten übersteigt,
Was je des Himmels Zorn zu unsrer Straf erzeugt.
Im innern Heiligtum, wohin kein Fremder schauet,
Ist sein verborgner Thron, auf Wahn und Furcht gebauet;
Ihm steht mit krummem Hals die stolze Heuchelei
Und mit verlarvtem Haupt Betrug, sein Vater, bei;
Er aber füllt mit Rauch die schimmernden Gewölber,
Wo seine Gottheit wohnt, und ehrt sein Schnitzwerk selber.
Bald aber, wann, vielleicht aus unbedachtem Witz,
Der Wahrheit freie Stimm erschüttert seinen Sitz,
Füllt er sein flammend Aug mit Rach und wildem Eifer;
Sein Arm, bewehrt mit Stahl, sein Mund, beschäumt mit Geifer,
Droht Tod und Untergang; Mord, Bosheit und Verrat,
Die Diener seines Grimms, empören Kirch und Staat,
Und oftmals muß das Blut von zehen großen Reichen
Nach endlich sattem Zorn ihn mit sich selbst vergleichen:
Noch gütig, wann nur nicht zerstörter Thronen Schutt
Ihm wird zum Söhn-Altar und raucht von Königs-Blut.
Dies ist der größte Gott, vor dem die Welt sich bücket,
Die Götzen, die man ehrt und auf Altären schmücket,
Sind, bunten Farben gleich, nur Teile seines Lichts,
Sie selbst sind nur durch ihn und außer ihm ein Nichts.
Sie sind im Wesen eins, nur an Gestalt verschieden,
Weiß unterm blanken Nord, schwarz unterm braunen Süden;
Dort grimmig, ihr Getränk ist warmes Menschen-Blut,
Hier gütig, etwas Gold versöhnet ihre Wut.
Doch ein verwöhnt Paris, dem Argenson nicht wehret,
Zeugt so viel Diebe nicht, als Götter man verehret;
Kein Tier ist so verhaßt, kein Scheusal so veracht,
Dem nicht ein Volk gedient und Bilder sind gemacht.
Den trägt hier ein Altar, der dort am Galgen hänget, Garnet.
Das heiße Persen ehrt die Sonne, die es senget;
Das tumme Memphis sucht im Sumpf den Krokodil
Und räuchert einem Gott, der es verschlingen will;
Noch törichter als da, wo es die Gartenbetter
Zu heilgen Tempeln macht' und düngte seine Götter.
Des Bösen Wesen selbst, des Schadens alter Freund,
Hat Kirchen auf der Welt und Priester, wie sein Feind.
Entsetzlicher Betrug! vor solchen Ungeheuern
Kniet die verführte Welt und lernet Teufeln feiern.
Umsonst sieht die Vernunft des Glaubens Fehler ein,
Sobald der Priester spricht, muß Irrtum Weisheit sein;
Von dem betörten Sinn läßt sich das Herz betrügen,
Liebt ein beglaubtes Nichts und irret mit Vergnügen:
Ein angenommner Satz, den nichts als Glauben stützt,
Wird bald ein Teil von uns und auch mit Blut beschützt.
Die Alten schrieen schon, entbrannt mit heilgen Flammen:
Der ist des Todes wert, der ehrt, was wir verdammen;
Die Nachwelt, angesteckt mit ihrer Ahnen Wut,
Pflanzt Glauben mit dem Schwert und dünget sie mit Blut.
Hat nicht die alte Welt, nur weil sie anders glaubte,
Die neue wüst gemacht? Wie manchem hohen Haupte
Hat eines Heilgen Arm den Stahl ins Herz gedrückt,
Den itzt ein Volk verehrt und auf Altären schmückt? Garnet, Clement und andere.
Ein mißgebrauchter Fürst taucht seine Sieges-Fahnen
In Kessel voll vom Blut getreuer Untertanen,
Die nicht geglaubt, was er, und gern zum Tode gehn
Für einen Wörter-Streit, wovon sie nichts verstehn.
Wo Glaubens Zweitracht herrscht, stehn Brüder wider Brüder,
Das Reich zerstört sich selbst und frisset seine
Weitere Kostenlose Bücher