Die Alptraum-Frau
verschwand in der Küche. Janine zog ihren Mantel aus und fuhr durch ihr Haar. Dabei stand sie vor dem Spiegel und nickte sich selbst zu. »Du hast recht, Amos, ich sehe wirklich nicht gut aus.«
»Abgespannt und - sei mir nicht böse, auch ängstlich.«
»Das trifft den Kern«, erwiderte sie leise. »Geh schon mal vor, ich koche uns einen Kaffee.«
»Wunderbar, den kann auch ich gebrauchen.«
Janine verschwand in der Küche. Benny hatte sich etwas zu trinken geholt und hielt sich in seinem Zimmer auf. Für einen Moment schloss Janine die Augen und stützte sich an der Tischkante ab. In was sind wir da nur hineingeraten? fragte sie sich. Welche ein böser Geist schwebt über uns? Was will man von uns? Ist es wirklich Ross, der sich immer wieder zeigt?
Sie hätte die Frage bejahen können, aber sie schreckte einfach davor zurück. Es war für sie zu unwirklich und auch unrealistisch. Das konnte sie nicht in ihren Kopf hineinkriegen. Sie wusste nichts über Ross. Nur dass er urplötzlich verschwunden und auch nicht wieder aufgetaucht war. Das war alles gewesen.
War er tot? Nein, ja, jedenfalls gab es ihn noch. Er lebte, denn er hatte sich seinem Sohn gezeigt, und auch sie hatte ihn gespürt. Wenn es zutraf, dann lebte er nicht mehr so wie er gelebt hatte, und darüber kam Janine nicht hinweg.
Sie fand einfach keine Erklärung für dieses Phänomen. Sie hatte auch daran gedacht, die Polizei anzurufen. Das brachte nichts. Schon vor längerer Zeit, als alles angefangen hatte, hatte sie den Polizisten Bescheid gegeben. Passiert war nichts. Wahrscheinlich war sie nicht ernst genommen worden. Irgendwie konnte sie die Beamten auch verstehen. Wenn man ihr so etwas erzählt hätte, dann hätte sie es auch nicht geglaubt. Deshalb musste sie mit dem Phänomen allein fertig werden.
Der Kaffee war durchgelaufen. Das letzte Gluckern war verstummt.
Zusammen mit dem Geschirr stellte Janine die Kanne auf ein Tablett und verließ die Küche.
Ihr Nachbar wartete im Wohnzimmer. Er hatte sich auf die Couch gesetzt und schaute zur offenen Tür hin, in der Janine Calderon erschien und ihn anlächelte. »Ich habe etwas mehr Kaffee gekocht. Deshalb hat es auch gedauert.«
»Das macht doch nichts.« Amos stand auf, um ihr zu helfen, aber sie kam allein zurecht.
»Lass mal, das schaffe ich schon.« Sie schenkte Kaffee ein und nahm ebenfalls Platz. »Möchtest du auch etwas essen?«
»Nein, danke, das brauche ich nicht.«
Janine setzte sich auf die Couch neben ihn. Sie trank den Kaffee, und ihm fiel der traurige Blick auf. »Sei ehrlich, Janine«, sagte Amos und rückte näher an sie heran. »Was quält dich so?«
»Das ist schwer zu sagen.«
»Versuche es trotzdem.«
»Ich weiß nicht, ob du es verstehen wirst, denn ich selbst kann es nicht begreifen.«
»Manchmal hat ein Fremder den besseren Durchblick«, hielt er ihr entgegen.
Janine nickte und stieß dabei die Luft aus. »Also gut, Amos, ich will es versuchen. Es geht um meinen Mann.«
»Oh! Hat Ross sich endlich gemeldet?«
Sie lachte stoßartig auf. »Eine gute Frage, wirklich.« Dann nickte sie.
»Ja, er hat sich gemeldet, aber nicht so wie du es annimmst und wie es normal wäre.«
»Dann hat er einen Anwalt eingeschaltet?« Amos Filmore dachte noch immer in den normalen Regeln, was ihm nicht zu verdenken war. Die Antwort lautete anders.
»Nein, aus dem Jenseits, glaube ich.«
Amos sagte nichts. Er konnte nicht reden. Er war konsterniert. Er fragte auch nicht nach. Ein Beweis, dass er die Worte schon verstanden hatte. Dann rückte er von Janine Calderon weg, als wäre sie eine völlig Fremde für ihn. Da er die Tasse noch in der Hand hielt, schwappte etwas Kaffee über. Amos stellte die Tasse schnell auf den Tisch.
»Ich… ähm… habe mich doch nicht verhört, oder?«
»Nein, hast du nicht.«
Die Mundwinkel des Nachbarn zuckten. »Wie kannst du denn so sicher sein, dass er sich aus dem Jenseits gemeldet hat? Um so etwas behaupten zu können, muss man doch selbst einen Kontakt zu diesen Welten haben. Finde ich zumindest. Ich kann mich ja nicht in dich hineindenken, Janine, wir kennen uns auch zuwenig, aber von diesen Dingen haben wir nie gesprochen. Du hast mir auch nichts darüber erzählt. Das Thema jenseits ist ja tabu gewesen.«
»Es gab auch keinen Grund«, flüsterte sie. »Aber jetzt hat sich einiges geändert.« Sie starrte geradeaus und hatte die Stirn in Falten gelegt. »Es hat sich sogar viel geändert, Amos.«
»Ja«, sagte er, ohne überzeugend
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