Die Alptraum-Frau
zurecht. Ich weiß nur, dass jemand mit uns Katz und Maus spielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei klarer Sicht der Dinge eine Chance für uns gibt, sie zu vernichten.«
»Du meinst Urania?«
»Wen sonst?«
»Da gebe ich dir recht. Ich frage mich nur, warum Claudia zurückgekehrt ist.«
»Um uns zu bestrafen. Urania weiß jetzt, dass wir ihr auf der Spur sind. Und sie hat genügend Leute, um nicht selbst eingreifen zu müssen. Sie schickt erst ihre Vasallen vor, um es auszuprobieren. Schaffen die es nicht, wird sie selbst erscheinen.«
»Auf den Tag freue ich mich nicht.«
»Tag?« Ich lachte scharf. »Gehen wir mal davon aus, dass es noch heute geschehen kann. Durch unser Eingreifen haben wir einen alten Fall aufgerollt und einiges beschleunigt. Wahrscheinlich wäre er in Vergessenheit geraten, aber Sir James hat eine Nase dafür. Gehen wir mal davon aus, dass es Claudia Burns nicht mehr gibt.«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass wir woanders weitermachen.«
»Bei dieser Mrs. Calderon.«
»Sie ist die nächste auf der Liste. Bei ihr ist ja der Mann verschwunden.«
»Der geschiedene Mann.«
Ich winkte ab. »Meinetwegen auch er.« Ich holte den Zettel aus der Tasche und schaute nach.
»Wohin müssen wir?« fragte Suko.
»Nach Paddington.«
Suko stieß die Luft aus. »Dann los, der Verkehr heute ist nicht eben dünn.«
Wir verließen die Wohnung und auch das Haus. Auf meinem Rücken blieb ein kalter Schauer zurück, und das lag nicht an der Witterung, sondern an dem, was wir erlebt hatten. Ich dachte für Suko nicht mit.
Ich konnte mir allerdings vorstellen, dass seine Gedanken sich von meinen nicht so weit entfernt hatten.
Diesmal sah es wirklich böse aus. Eine Waffe, mit der wir Urania besiegen konnten, war weit und breit nicht in Sicht. So lagen die Vorteile alle auf ihrer Seite…
***
Janine Calderon stieß die Haustür auf. »Komm rein, Benny.«
»Ja, warte…«
»Nein, du kommst jetzt!«
»Aber ich habe Kevin gesehen. Er spielt Fußball und wollte mich mitnehmen.«
Die Mutter blieb hart. »Nicht heute.«
»Und warum nicht?«
»Weil ich es so will.« Janine hatte keine Lust, ihrem Sohn noch großartig etwas zu erklären. Sie war froh, wenn sie die Wohnung erreicht hatte, obwohl sie sich dort auch nicht sicher fühlte. Es gab wohl keinen Platz auf der Erde, an dem man vor Ross sicher sein konnte, weil seine Existenz logisch nicht mehr zu erklären war.
Mutter und Sohn betraten den Hausflur. Benny trug die Tüte mit den Jeans. Er ließ sie über den Boden schleifen, brummelte vor sich hin, war sauer, doch darauf gab seine Mutter nichts. Sie stieg die Treppen hoch, um in die zweite Etage zu gelangen. Kurz bevor sie ihr Ziel erreicht hatte, hörte sie, wie eine Tür geöffnet wurde. Am typischen Quietschen erkannte sie, dass es Amos Filmore war, der seine Wohnungstür aufgeschoben hatte.
Als Mutter und Sohn den Flur betraten, sahen sie Filmore. Er war ein großer Mann, der immer leicht gebeugt ging. An diesem Tag trug er eine dunkelgrüne Kordhose, ein graues Hemd und eine ebenfalls grüne Strickjacke. Von Beruf war er Fernfahrer. Seit einigen Wochen allerdings ohne Job, da er in einen Unfall verwickelt gewesen war. Er war kein schöner Mann, eher ein Belmondo-Typ, aber er hatte weiche Augen und ein nettes Lächeln.
»Grüß dich, Janine.«
»Hi, Amos.«
Er schüttelte den Kopf. »Du siehst nicht gut aus.« Janine hob nur die Schultern und trat zur Tür, um den Schlüssel ins Schloss zu schieben.
»Du siehst wirklich nicht gut aus.«
»Das weiß ich selbst, verdammt.«
Er war dicht an sie heran getreten. »Ich meine es nur gut mit dir, glaub mir. Es ist dir anzusehen, dass du Sorgen hast. Wenn du jemand zum Reden brauchst, ich habe Zeit, auch jetzt.«
Janine Calderon überlegte einen Moment. Sie schloss noch nicht auf.
Dann nickte sie. »Okay, Amos, komm rein.«
»Danke.« Er ließ die beiden zuerst eintreten. Benny mochte den Mann nicht so sehr. Er mochte überhaupt keine Männer, die seine Mutter kennen lernte. Nach wie vor war der Vater für ihn das große Vorbild.
Da reichte keiner heran.
»Ich bin dann in meinem Zimmer, Mum«, sagte er und wollte verschwinden.
»Moment noch.« Janine hielt Benny fest. »Schau mich an, okay?«
»Jaaa…«, sagte er gedehnt.
»Wenn dir etwas auffällt, wenn irgend etwas ist, sagst du mir sofort Bescheid. Klar?«
»Ja, klar.«
»Dann ist es gut.«
»Kann ich mir was aus dem Kühlschrank holen?«
»Sicher.«
Benny
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