Die Alptraumritter
über sich sah er eine runde Öffnung, dahinter blauen Himmel und eine Wolke. Das Licht ließ die Seitenwände eines runden Schachtes erkennen.
Necron begriff.
Er war durch eine dünne Abdeckung gebrochen, als der Stein abbrach. Die Abfälle in diesem Brunnenschacht hatten sein Leben gerettet.
»Bei allen Wundern der Düsterzone«, sagte er und schüttelte kurz den Kopf. »Das ist das größte Wunder.«
Er hörte sofort auf, den Kopf zu schütteln, denn ihm wurde schwindlig. Arruf steckte, tot, verletzt oder eingeschlossen, im Innern des Turmes. Oder nicht mehr? Hatte er es geschafft, die Trümmer wegzuräumen oder an der glatten Außenseite des Turmes herunterzuklettern?
»Ich muß hinauf!« sagte sich Necron. Diese beiden Kämpfe schien er verloren zu haben. Aber noch gab es Hoffnung.
Er stand mit zitternden Beinen auf und wankte über die federnde Fläche aus stinkendem Abfall zur Wand. Prüfend zog er an einigen Ranken, die teilweise vom Rand des etwa sieben Mannslängen tiefen Schachtes herunterhingen, zum anderen Teil in dessen Mauerspalten wucherten. Sie schienen sein Gewicht tragen zu können. Langsam, immer wieder aufstöhnend, keuchend und schwitzend kletterte er aufwärts. Er versuchte seine Schmerzen zu ignorieren, aber sie wurden stärker. Schließlich zog er sich über den Rand des Schachtes und blieb wie betäubt stehen.
Ein aufgeregtes, ungeduldiges Wiehern riß ihn aus seinen Gedanken. Er versuchte, die Augen des Gegners zu benutzen, aber er vermochte sich nicht genügend auf diesen Vorgang einzustellen. Die Schmerzen in seinem Schädel waren zu groß.
Ratlos stolperte er geradeaus.
Dann entsann er sich weiterer Einzelheiten und kletterte stöhnend wieder an den Steinen der Turmaußenwand hinauf. Jeden Schritt machte er mit Bedacht und prüfte die Brüchigkeit der Steinplatten. Direkt vor seinen Augen war, als er den obersten Stein erreicht hatte, ein breiter Spalt zwischen zwei Quadern, fast an der höchsten Stelle über der schräg gegen den Eingang lehnenden Mauer.
Necron zwängte seinen Oberkörper in das kantige Loch, robbte vorwärts und schaffte es endlich, seinen Kopf durchzuschieben. Er blickte hinunter in den Hohlraum des Turmes. Das Sonnenlicht – Stunden mußten vergangen sein! – fiel durch ein anderes Loch im Gewölbe schräg gegen eine Fläche hellerer Quadern, und im widergespiegelten diffusen Licht war der Raum einigermaßen gut zu erkennen. Der Staub hatte sich gelegt.
»Leer!« ächzte Necron auf. »Oder… er liegt unter den Trümmern. Wie auch immer…«
Er hatte dieses Ende nicht gewollt, aber er hatte damit rechnen müssen, daß sein Gegner starb. Er vergewisserte sich ein zweitesmal und kletterte dann wieder aus dem Loch und blieb überrascht auf einer der obersten Steinplatten stehen.
»Den Tümpel habe ich nicht gesehen!« belehrte er sich verblüfft. »Eine willkommene Bereicherung.«
So schnell es seine schmerzenden Muskeln zuließen, kletterte er abwärts, fand sein Pferd an derselben Stelle wieder und klammerte sich am Sattelknauf fest, als er das Tier auf Umwegen zum Tümpel lenkte. Sofort begann das Tier zu saufen; er beugte sich zum Wasser und steckte seinen Kopf hinein. Die Abkühlung beseitigte die ärgsten Schmerzen, und als er in der aufgerissenen Brusttasche seines unbeschreiblich heruntergekommenen Samtanzugs den Lederbeutel fand, grinste er kurz. Er nahm zwei der vertrockneten, gelben Beeren heraus und würgte sie mit einigen Schlucken Wasser herunter. Dann setzte er sich an den Rand des Tümpels und überlegte.
WarLuxontot?
Oder war er ihm entkommen?
Wenn er tot war, würden ihn seine Freunde rächen wollen. Als zweckmäßig denkender Händler würde er selbst anders handeln, aber er hatte Verständnis für diese ihn betreffende Absicht. Er würde weiter flüchten müssen, und vorläufig sah er keine andere Rettung als das Durchqueren der Gigantenstadt.
Die Beeren begannen zu wirken. Sie löschten einen Teil der Schmerzen aus, aber immer wieder, wenn er versuchte durch die Augen Arrufs zu blicken, schien tief in seinem Schädel ein greller Blitz einzuschlagen. Jedesmal, wenn er aufstöhnte, wandte das Pferd den Kopf und sah ihn, wie es ihm schien, mitleidig an.
»Ich gebe es auf!« meinte er schließlich laut und erschrak vor dem heiseren Klang seiner eigenen Stimme.
Er trank, reinigte sich, so gut er es vermochte, fand Früchte und Fladenbrot in den Satteltaschen und zog sich schließlich in den Sattel. Die Welt drehte sich, als er
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