Die Alptraumritter
endlich das Sattelhorn umklammerte und schwankend versuchte, die Füße in die Steigbügel zu schieben. Aus diesem Grund entgingen ihm auch die auffälligen Spuren, die Arrufs Pferd und der Mann selbst am Rand des Tümpels zurückgelassen hatten. Zudem vermischten sich Necrons eigene Spuren mit denen, die einige Stunden älter waren.
»Wohin, armer, abgerissener König der Händler?« fragte er sich.
Er gab sich selbst die Antwort.
»Nach Ash’Caron. Und wenn ein Orhako auftaucht: ins Versteck, so hurtig wie möglich.«
Zuerst langsam, und als durch die Bewegung die meisten Schmerzen milder wurden, etwas schneller, ritt er auf Ash’Caron zu. Er mußte die Stadt noch heute erreichen, denn Uinaho mit der spiegelnden Glatze und der Heymal mit dem treffsicheren Bogen waren hinter ihm.
Unterwegs träumte Necron von seinen sechs Graupferden, dem prächtigen Schrein voller Handelsware und der Düsterwelt. Er wandte schließlich einen Zauber gegen Schmerz und Verdrießlichkeit an, der nur geringe Wirkung zeigte – zu seinem Erstaunen. Das letzte Bild, an das er sich erinnerte, war die Bahn des unersetzlichen schwarzen Samtstoffs, der nach der Vernichtung seiner gesamten Habe sich aufrollte und jetzt in der Düsterzone vermoderte.
Gegen diesen Verlust gab es keinen Zauber.
4.
Der einzelne Reiter mußte sein Pferd zwingen, weiterzugehen. Immer wieder wich das Tier mit peitschendem Schweif und aufgeregt tänzelnden Hufen seitwärts aus. Die Augen waren weit aufgerissen, der Hengst bleckte die Zähne und hatte die Ohren flach an den Schädel gelegt. Aus seiner Kehle kam ein tiefes, heiseres Wiehern, fast ein Grunzen. Schließlich sprang Arruf aus dem Sattel, band den langen Zügel an einem Ast fest und näherte sich zu Fuß dem seltsamen Koloß aus Stein, der losgelöst von dem Aussehen der Umgebung, hier zu sehen war.
Ein Findling, ein erratischer Block, so groß wie ein Haus, seltsam gerundet, mit tiefen Löchern, die sich in gewundene Gänge fortsetzten, wie man es von Ohrmuscheln kannte. Hinter ihm ragten Bäume auf, die Arruf noch nie erblickt hatte.
Es waren riesige Stämme, glatt und astlos, die siebzig oder mehr Mannslängen hoch in den gesprenkelten Abendhimmel ragten. Ihre Krone war flach und waagrecht; Myriaden von Nadeln hingen an den vielfach verzweigten Ästen. Die Nadeln waren schwarz, wie der genarbte Stamm, und so groß wie der längste Finger. Wenn sie abfielen, färbten sie sich stechend gelb. Rund um den Findling war der Boden von diesem leuchtenden Teppich bedeckt.
Der Findling war uralt.
Um sein oberes Drittel lief rund um den Koloß und sich den Konturen anschmiegend, ein mannsbreites Band. Ein Fries, das seltsame Menschen und Wesen zeigte, die mit zahlreichen Arbeiten beschäftigt waren. Kämpfe, Errichtung von Bauwerken und Herstellung seltsamer Waffen, Äxte, von denen Steine gespalten wurden, Krieger in phantastischen Rüstungen, die Gebäude anzündeten, seltsame Ritter, die auf fliegenden Drachen saßen und merkwürdige Maschinen bedienten… und vieles mehr.
Allen Darstellungen war zu eigen, daß sie abstoßend, grausam und schreckerregend waren. Arruf betrachtete sie voller Interesse und mit leichtem Schaudern. Sie erinnerten ihn natürlich an die dämonischen Standbilder des Turmes.
Unterhalb des Reliefs waren uralte Schriftzeichen eingemeißelt worden.
»Die Stadt der Alptraumritter«, murmelte er und versuchte die Zeichen zu entziffern. Sie hatten bestimmte Ähnlichkeit mit den Lettern der Sprache Gorgans, aber dennoch sahen sie ganz anders aus. Auch wenn er glaubte, mehrere Zeichen zu einem Wort zusammengesetzt zu haben, ergab dieses Wort keinen Sinn, auch wenn er es laut aussprach.
Offensichtlich sollte die Inschrift die Besucher mahnen oder erschrecken.
»Aber… die Nomaden betreten Ash’Caron, und Elejid hat nichts davon gesagt, daß sie von den Schriftzeichen geblendet oder krank gemacht würden.«
Das Pferd scheute jedenfalls vor dem Findling und seiner unlesbaren Botschaft.
Arruf machte eine Geste, die seine Ratlosigkeit erkennen ließ.
Dann ging er langsam zwischen den Stämmen der Riesenbäume auf das Pferd zu. Es waren einundzwanzig Bäume, die eine Gruppe bildeten. Aus der Entfernung betrachtet, hatten die Stämme und der gerundete, bizarre Stein wie ein Zeichen gewirkt, zugleich eine Barriere und ein Wegweiser. Dazu kam, daß aus unterschiedlichen Richtungen Pfade und Karrenwege mit tief eingefahrenen Spuren auf die Baumgruppe zuliefen. Also bedeutete sie
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