Die alte Jungfer (German Edition)
Josette beraten, fand die Kraft, die alte Jungfer in ihr Zimmer zu tragen, wo er sie aufs Bett niederlegte. Josette schnitt das übermäßig geschnürte Korsett mit der Schere auf. Du Bousquier sprengte ihr ohne viel Federlesens Wasser ins Gesicht und auf die Brust, die wie die über die Ufer getretene Loire herausquoll. Die Kranke öffnete die Augen, sah Du Bousquier, und die Scham beim Anblick dieses Mannes entlockte ihr einen Schrei. Du Bousquier zog sich zurück, und nach ihm traten sechs Frauen, unter Anführung von Madame Granson, die vor Freude strahlte, ins Zimmer. Und was hatte inzwischen der Chevalier de Valois getan? Er deckte treu seinem System den Rückzug.
»Arme Mademoiselle Cormon«, sagte er zu Monsieur de Troisville und schaute auf die Versammlung, die sich unter dem Bann seiner aristokratischen Blicke das Lachen verhielt, »sie leidet so an Blutwallungen, sie wollte sich, bevor sie nach Le Prebaudet, ihrem Landgut, ging, zu keinem Aderlaß entschließen, und da hat sie es nun. Das macht der Frühling.«
»Sie ist heute früh in den Regen gekommen«, meinte der Abbé de Sponde, »sie hat sich wahrscheinlich ein wenig erkältet, und das hat diesen Anfall, der manchmal kommt, herbeigeführt; aber es hat nichts zu bedeuten.«
»Sie sagte mir vorgestern, daß sie ihn seit drei Monaten nicht gehabt hat, und meinte noch, er würde ihr einmal wieder einen bösen Streich spielen«, erläuterte der Chevalier weiter.
›Ei sieh da, du bist verheiratet!‹ sagte Jacquelin insgeheim mit einem Blick auf Monsieur de Troisville, der in kleinen Schlückchen seinen Kaffee trank.
Der treue Diener machte die Enttäuschung seiner Herrin zu seiner eigenen; er handelte in ihrem Sinne und trug die Liköre der Madame Amphoux, die dem Junggesellen und nicht dem Ehemann einer Russin angeboten worden waren, hinweg. All diese kleinen Einzelheiten wurden bemerkt und erweckten Heiterkeit. Der Abbé de Sponde kannte den Grund der Reise von Monsieur de Troisville; jedoch in seiner Zerstreutheit hatte er nichts davon gesagt, da er nicht annahm, daß seine Nichte Monsieur de Troisville das geringste Interesse entgegenbringen könne. Was den Vicomte angeht, so war er mit dem Zweck seiner Reise beschäftigt und hatte keine Veranlassung gehabt, sein Verheiratetsein zu erwähnen, da er, gleich vielen Männern, keinen Antrieb verspürte, von seiner Frau zu sprechen. Auch glaubte er, Mademoiselle Cormon sei unterrichtet. Du Bousquier trat wieder herein und wurde mit Fragen bestürmt. Die eine der sechs Damen kam herunter und meldete, daß es Mademoiselle Cormon besser gehe und daß ihr Arzt gekommen sei; aber sie müsse im Bett bleiben, es scheine nötig, sie zur Ader zu lassen. Der Salon war bald ganz gefüllt. Die Abwesenheit Mademoiselle Cormons gestattete den Damen, sich über die tragikomische Szene zu unterhalten, die ausgesprochen, kommentiert, ausgeschmückt, weitergedichtet, mit Zusätzen versehen, ausgemalt und verziert wurde und die verursachte, daß sich am folgenden Tage ganz Alençon mit Mademoiselle Cormon beschäftigte.
»Dieser gute Monsieur Du Bousquier, wie er sie trug! Was für Fäuste!« sagte Josette zu ihrer Herrin, »Wahrhaftig, .er war ganz blaß vor Mitleid, er liebt Sie noch immer!«
Dieser Satz beschloß den feierlichen und schrecklichen Tag. Am Tage darauf wurden während des ganzen Vormittags die geringsten Einzelheiten dieser Komödie .in allen Häusern Alençons zum besten gegeben und erregten – zur Schande dieser Stadt sei es gesagt – ein allgemeines Gelächter. Mademoiselle Cormon, der der Aderlaß sehr gut getan hatte, hätte jedoch an diesen Morgen die verwegensten Spötter einschüchtern müssen, wären sie Zeugen gewesen, mit welcher edlen Würde und wunderbaren christlichen Ergebung sie dem Mann, der sie so unfreiwillig hinters Licht geführt hatte, den Arm gab, um sich zum Frühstück führen zu lassen. Ihr grausamen Spötter hättet sie sehen müssen, wie sie zu dem Vicomte sagte: »Madame de Troisville wird hier schwerlich eine Wohnung finden, die ihr zusagt; erweisen Sie mir die Ehre, Monsieur, so lange in meinem Hause zu verweilen, bis Sie sich in der Stadt eine eingerichtet haben.«
»Aber Mademoiselle, ich habe zwei Söhne und zwei Töchter, wir würden Sie sehr stören!«
»Weisen Sie mich nicht ab!« erwiderte sie mit einem Blick, in dem Zerknirschung zu lesen war.
»Ich habe es Ihnen in dem Brief, den ich Ihnen aufs Geratewohl schickte, schon angeboten«, sagte der Abbé,
Weitere Kostenlose Bücher