Die alte Jungfer (German Edition)
es in vierzehn Tagen zuwege gebracht hatten. So können Sie sich vorstellen, daß nie zuvor ein Gast mit kleinen Handreichungen so verwöhnt, mit Aufmerksamkeiten so überhäuft wurde. Es war, als wäre ein teurer Liebhaber in die Häuslichkeit, deren Glück er ausmacht, zurückgekehrt, Mademoiselle erriet den Moment, da der Fremde Brot begehrte. Sie ließ kein Auge von ihm; wenn er den Kopf wandte, legte sie ihm geschickt das Gericht noch einmal auf, das ihm zu schmecken schien; sie hätte ihn zu Tode gefüttert, wenn er gefräßig gewesen wäre. Sie wollte auf liebliche Art zeigen, wessen sie in der Liebe fähig war! Sie war nicht so dumm, sich in den Schatten zu stellen, sie ließ tapfer alle Segel flattern, hißte alle Flaggen, präsentierte sich als die Königin von Alençon und rühmte ihre eingemachten Früchte. Sie sprach von sich, fischte nach Komplimenten, als ob sie ihre eigene Posaune wäre. Sie sah, daß sie dem Vicomte gefiel, denn ihr Begehren hatte sie so verwandelt, daß sie fast Frau geworden war. Beim Dessert hörte sie, nicht ohne inneres Entzücken, das Hin und Her im Vorzimmer und die Geräusche im Salon, welche die üblichen Besucher ankündigten. Sie stellte diesen Eifer ihrem Onkel und dem Vicomte de Troisville als einen Beweis der Zuneigung dar, die man für sie hegte, während es nur die Wirkung der unwiderstehlichen Neugier war, die die Stadt ergriffen hatte. Voller Ungeduld, sich in ihrem Glanz zu zeigen, hieß Mademoiselle Cormon Jacquelin den Kaffee und die Liköre im Salon servieren, und der Diener machte sich daran, die Pracht eines Meißener Services, das nur zweimal im Jahr aus dein Schrank kam, vor der Elite der Gesellschaft zu entfalten. Alle diese Nebenumstände wurden natürlich von der Gesellschaft, die schon leise ihre Glossen tuschelte, bemerkt.
»Teufel!« rief Du Bousquier, »lauter Liköre von Madame Amphoux, die sonst nur an hohen Festtagen hervorkommen!«
»Das ist entschieden eine Heirat, die schon seit einem Jahr schriftlich vereinbart worden ist!« meinte der Präsident Du Ronceret. »Es laufen seit einem Jahr Briefe mit dem Poststempel Odessa beim Postdirektor ein.«
Madame Granson schauderte zusammen. Der Chevalier de Valois, der, obwohl er für viere gegessen hatte, bis ihm die linke Partie seines Gesichts blaß wurde, fühlte, daß er im Begriff war, sein Geheimnis preiszugeben, und sagte: »Finden Sie es nicht kalt heute? Ich bin ganz erfroren.«
»Das macht die Nachbarschaft Rußlands«, versetzte Du Bousquier.
Der Chevalier sah ihn mit einer Miene an, die bedeutete: ›Gut gegeben.‹
Mademoiselle Cormon sah so strahlend, so triumphierend aus, daß man sie schön fand. Dieses ungewöhnliche Aussehen kam nicht nur vom Gefühl; der ganze Strom ihres Blutes tobte in ihr seit dem Morgen, und ihre Nerven erzitterten unter der Vorahnung einer großen Krise; es bedurfte aller dieser Umstände, um sie sich selber so unähnlich zu machen. Mit welchem Wonnegefühl und welcher Feierlichkeit stellte sie nicht den Vicomte dem Chevalier, den Chevalier dem Vicomte, ganz Alençon Monsieur de Troisville, Monsieur de Troisville ganz Alençon vor. Erklärlicherweise fanden sich der Vicomte und der Chevalier, diese beiden aristokratischen Naturen, sofort; sie erkannten sich gegenseitig als der gleichen Sphäre angehörig und blieben plaudernd vor dem Kamin stehen. Ein Kreis bildete sich um sie, und man lauschte ihrer Unterhaltung, obwohl sotto voce geführt, mit andächtigem Schweigen. Um sich die Wirkung dieser Szene ausmalen zu können, stelle man sich Mademoiselle Cormon vor, wie sie, mit dem Rücken gegen den Kamin gekehrt, damit beschäftigt ist, den Kaffee ihres vermeintlichen Zukünftigen zu bereiten.
Monsieur de Valois: »Monsieur le Vicomte, heißt es, hat die Absicht, sich hier niederzulassen?«
Monsieur de Troisville: »Ja, ich suche hier ein Haus...« (Mademoiselle Cormon dreht sich um, mit der Tasse in der Hand.) »Und zwar ein großes, um ...« (Mademoiselle Cormon reicht die Tasse.) »meine Familie unterzubringen.« (Die Blicke Mademoiselles verdunkeln sich.)
Monsieur de Valois: »Sie sind verheiratet?«
Monsieur de Troisville: »Seit sechzehn Jahren mit der Tochter der Fürstin Scherbeloff.«
Mademoiselle Cormon sank, wie vom Blitz getroffen, um. Du Bousquier, der sie taumeln sah, stürzte auf sie zu, fing sie in seinen Armen auf, und man öffnete die Tür, damit er unbehindert mit seiner Riesenlast hindurchgehen konnte. Der ungestüme Republikaner, von
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