Die alte Jungfer (German Edition)
Ihnen beiden«, sagte der Chevalier in verbindlichem Ton, »und wünsche, daß es bei Ihnen wie in den Feenmärchen heißen möge: Sie waren sehr glücklich und hatten viele Kinder.« Und er nahm eine Prise. »Aber Sie vergessen, Monsieur, daß Sie ein Toupet tragen«, fügte er spöttisch hinzu.
Du Bousquier wurde rot; er hielt das Toupet zehn Zoll über seinem Schädel. Mademoiselle Cormon bückte auf, sah die Kahlheit des Schädels und schlug die Augen wieder schamhaft zu Boden. Du Bousquier warf dem Chevalier einen Blick zu, wie ihn giftiger keine Sumpfkröte auf ihre Beute schleudern konnte.
›Verfluchte Aristokraten, die ihr mich verachtet habt, ich werde euch eines Tages zermalmen!‹ dachte er.
Der Chevalier glaubte wieder die Oberhand erlangt zu haben. Mademoiselle Cormon war jedoch nicht von der Art, daß sie den Zusammenhang, der für den Chevalier zwischen dem Toupet und seinen Wünschen bestand, begriffen hätte; und auch wenn sie ihn begriffen hätte, gehörte ihr ihre Hand doch nicht mehr. Monsieur de Valois sah ein, daß alles verloren war. Da die ahnungslose Jungfer die beiden Männer stumm sah, wollte sie sie beschäftigen.
»Machen Sie doch eine Partie Pikett zusammen!« sagte sie ohne Arg.
Du Bousquier lächelte und holte als zukünftiger Herr des Hauses den Spieltisch herbei. Der Chevalier de Valois, sei es, daß er den Kopf verloren hatte, .sei es, daß er dableiben wollte, um die Ursache seines Mißgeschicks zu studieren und ihm abzuhelfen, ließ sich treiben wie ein Hammel, den man zur Schlachtbank fuhrt. Er hatte den heftigsten Keulenschlag bekommen, der ihn treffen konnte, und er hatte das Recht, davon benommen zu sein. Bald kamen der würdige Abbé de Spende und der Vicomte de Troisville nach Hause. Sogleich stand Mademoiselle Cormon auf, lief ins Vorzimmer, nahm ihren Onkel beiseite und flüsterte ihm ihren Entschluß ins Ohr. Als sie hörte, daß das Haus in der Rue du Cygne Monsieur de Troisville zusagte, bat sie ihren Zukünftigen, er möchte ihr den Dienst erweisen, Monsieur de Troisville zu sagen, ihr Onkel habe gewußt, daß es verkäuflich sei. Sie wagte nicht, diese Lüge dem Abbé anzuvertrauen, aus Furcht vor seiner Zerstreutheit. Doch trug die Lüge bessere Früchte als eine tugendhafte Tat. Am Abend erfuhr ganz Alençon die große Neuigkeit. Seit vier Tagen war die Stadt in Atem gehalten worden wie in den unseligen Tagen von 1814 und 1815. Die einen lachten, die ändern hießen die Heirat willkommen; diese tadelten sie, jene fanden sie in Ordnung. Die Mittelklasse von Alençon freute sich, sie erblickte einen Sieg darin. Am nächsten Tage tat der Chevalier de Valois bei seinen Freunden die grausame Äußerung: »Die Cormons enden, wie sie angefangen haben: Intendant und Lieferant – das ist beinahe dasselbe!«
Die Wahl Mademoiselle Cormons traf den armen Athanase ins Herz, doch ließ er sich nichts von der schrecklichen Erregung, die ihn durchschüttelte, anmerken. Als er von der Verlobung hörte, war er beim Präsidenten Du Ronceret, wo seine Mutter eine Partie Boston spielte. Madame Granson sah ihren Sohn in einem Spiegel, sie fand ihn blaß; doch war er es schon seit dem Morgen, denn er hatte unbestimmte Gerüchte von dieser Heirat gehört. Mademoiselle Cormon war für Athanase die Karte, auf die er sein Leben gesetzt hatte, und er hatte schon ein deutliches Vorgefühl einer Katastrophe. Wenn die Seele und die Phantasie sich ein Unglück vergrößern und es zu einer für Kopf und Schulter zu schweren Last gemacht haben, wenn eine langgehegte Hoffnung, deren Erfüllung den Geier, der am Herzen nagt, beschwichtigt hätte, fehlschlägt und der Mensch, trotz der göttlichen Macht, weder an sich, noch an seine Kraft, noch an die Zukunft glaubt, dann geht er zugrunde. Athanase war ein Opfer der kaiserlichen Erziehung. Das Verhängnis, diese Religion des Kaisers, stieg vom Thron hernieder bis in die letzten Reihen der Armee, bis in die Schulbänke. Athanase heftete die Augen auf das Spiel Madame du Roncerets mit einer dumpfen Betroffenheit, die so gut für Gleichgültigkeit gelten konnte, daß Madame Granson glaubte, sich über die Gefühle ihres Sohnes getäuscht zu haben. Die anscheinende Gleichgültigkeit von Athanase war eine Erklärung für seine Weigerung, dieser Heirat seine »liberalen« Ansichten zu opfern, welches Wort ›liberal‹ der Kaiser Alexander vor kurzem geprägt hatte; und das, glaube ich, von Madame de Staël auf Benjamin Constant übergegangen war.
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