Die alte Jungfer (German Edition)
Madame Coudrai, Madame du Ronceret, die ganze Stadt bemerkte, daß Madame du Bousquier mit dem ›linken Fuß‹ in die Kirche getreten war, ein um so schrecklicheres Omen, als das Wort ›die Linke‹ schon eine politische Bedeutung annahm. Der Priester, der die Trauungsformel zu lesen hatte, schlug das Buch zufällig bei dem ›De profundis‹ auf. So war diese Eheschließung denn von so verhängnisvollen, unheilkündenden, niederschmetternden Umständen begleitet, daß niemand Gutes prophezeite. Es kam noch schlimmer. Es fand kein Hochzeitsmahl statt, weil die Neuvermählten gleich nach Le Prebaudet abreisten. Die Pariser Bräuche siegten also über die der Provinz, hieß es. Am Abend wurden alle diese Nichtigkeiten durchgehechelt, und allgemein machte man der Erbitterung in Schmähreden Luft, denn das Hochzeitsgelage ist in der Provinz sozusagen der der Gesellschaft gebührende Pflichtteil. Die Hochzeit Josettes und Jacquelins ging lustig vonstatten: sie waren die beiden einzigen, die den düstern Prophezeiungen widersprachen.
Du Bousquier wollte den Profit, den er bei seinem Hause gemacht hatte, dazu verwenden, das Haus Cormon zu modernisieren und zu restaurieren. Er hatte beschlossen, ein halbes Jahr in Le Prebaudet zu verbringen, und nahm seinen Onkel, den Abbé de Sponde, mit. Diese Neuigkeit verbreitete Schrecken in der Stadt, wo jeder ahnte, daß Du Bousquier das Land in den verhängnisvollen Luxus hineinziehen würde. Die Angst nahm zu, als die Leute sahen, wie Du Bousquier eines Morgens, um die Arbeiten zu überwachen, in einem mit einem neuen Pferd bespannten Tilbury, René in Livree zu seiner Seite, aus Le Prebaudet nach dem Val-Noble kam. Der erste Akt seiner Verwaltung war der gewesen, daß er alle Ersparnisse seiner Frau in Staatspapieren anlegte, die auf siebenundsechzig Francs fünfzig Centimes standen. Im Zeitraum eines Jahres, währenddessen er beständig auf Hausse spekulierte, begründete er ein eigenes Vermögen, das beinahe so ansehnlich war wie das seiner Frau. Jedoch diese grimmigen Weissagungen, diese aufregenden Neuerungen wurden von einem Ereignis übertroffen, das sich an diese Heirat knüpfte und sie noch verhängnisvoller erscheinen ließ. Am Abend der Hochzeit saßen Athanase und seine Mutter nach ihrem Essen vor einem kleinen Flackerfeuer aus Reisigbündeln, das ihnen die Magd zum Nachtisch im Salon angezündet hatte.
»Also wir gehen heute abend zum Präsidenten Du Ronceret, da wir ohne Mademoiselle Cormon sind«, begann Madame Granson; »mein Gott, ich werde mich nie daran gewöhnen, sie Madame Du Bousquier zu nennen, der Name will mir nicht über die Lippen.«
Athanase sah seine Mutter mit melancholischer, gezwungener Miene an; er konnte nicht mehr lächeln, und er wollte diesen naiven Gedanken, der seiner Wunde wohltat, ohne sie zu heilen, gutheißen. »Mama«, sagte er mit kindlichem Ausdruck und gebrauchte seit Jahren zum erstenmal wieder dies Wort, »liebe Mama, gehen wir doch noch nicht fort, es sitzt sich so gut hier vor dem Feuer.«
Die Mutter hörte diese Bitte eines tödlich verwundeten Herzens an, ohne sie zu verstehen.
»Gut, bleiben wir, mein Sohn! Ich bleibe viel lieber hier mit dir sitzen, als ein Boston zu spielen, wobei :ich mein Geld verlieren kann.«
»Du bist so schön heut abend, ich sehe dich gern an. Außerdem bin ich in einer Stimmung, die zu diesem kleinen Zimmer, wo wir so viel gelitten haben, so gut paßt.«
»Wo wir noch weiter leiden werden, mein lieber Athanase, bis deine Arbeiten Erfolg haben werden. Ich bin ans Elend gewöhnt, aber du, mein geliebtes Kind, du verbringst deine Jugend ohne Freuden. Nichts als Arbeit in deinem Leben! Dieser Gedanke ist ein Schmerz für eine Mutter; er quält mich des Abends und weckt mich des Morgens, Mein Gott, mein Gott! was habe ich dir getan, für welches Verbrechen strafst du mich?« Sie verließ ihren Lehnsessel, nahm einen kleinen Stuhl und rückte ihn an Athanase heran, um ihren Kopf an seine Brust legen zu können. Die wahre Mutterliebe ist immer voll Anmut. Athanase küßte seine Mutter auf die Augen, auf ihre grauen Haare, auf die Stirn und legte in diese Liebkosung sein ganzes zärtliches Gefühl.
»Ich werde niemals Erfolg haben!« sagte er, in der Absicht, seine Mutter über den traurigen Entschluß, den er in seinem Hirn herumwälzte, zu täuschen.
»Bah! wirst du wohl nicht so mutlos sein! Wie du es sagst, der Gedanke vermag alles. Mit zehn Flaschen Tinte, zehn Ries Papier und seinem starken
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