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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Willen hat Luther Europa umgewälzt. Nun, du wirst dich auszeichnen und mit denselben Mitteln, mit denen er das Böse getan hat, das Gute tun. Hast du das nicht gesagt? Siehst du, ich merke mir, was du sagst: ich verstehe dich besser, als du glaubst, denn ich trage dich noch in meinem Schoß, und der geringste Gedanke von dir widerhallt darin, wie ehemals deine leiseste Bewegung.«
    »Ich kann hier nicht Erfolg haben, siehst du, Mama; und ich will nicht, daß du meine Verzweiflung, meine Kämpfe, meine Qualen mit ansiehst. O Mutter, laß mich Alençon verlassen; ich will fern von dir leiden!«
    »Ich will immer an deiner Seite sein!« erwiderte die Mutter mit Bestimmtheit. »Du willst ohne deine Mutter leiden, deine arme Mutter, die deine Magd sein will, wenn es not tut, die sich, wenn du es verlangst, verbergen will, um dir nicht im Wege zu sein, die dich darin nicht des Hochmuts zeihen würde? Nein, nein, Athanase, wir werden uns niemals trennen!« Athanase preßte seine Mutter an sich, wie ein mit dem Tode Kämpfender, der das Leben umarmt. »Ich will es aber!« entgegnete er; »sonst richtest du mich zugrunde ... Dieser doppelte Schmerz, der meinige und der deinige, tötet mich. Und ich will doch wohl leben, nicht wahr?« Madame Granson sah ihren Sohn mit einem entgeisterten Blick an. »Das also hast du im Sinn? Man hat es mir schon gesagt. Du willst fort!«
    »Ja.«
    »Du wirst wohl nicht weggehen, ohne mir alles zu sagen, ohne mich aufzuklären. Du brauchst Geld, Sachen! Ich habe ein paar Louisdor in meinen Unterrock eingenäht, die muß ich dir geben.« Athanase weinte, »Das ist alles, was ich dir sagen wollte«, gab er zur Antwort; »jetzt führe ich dich zu dem Präsidenten. Komm ...«
    Der Sohn und die Mutter verließen das Haus. Athanase verließ seine Mutter an der Schwelle des Hauses, wo sie den Abend verbringen wollte. Er blickte lange auf den Lichtschein, der durch die Fensterläden drang; er drückte sich gegen die Wand und empfand eine stürmische Freude, als er nach einer Viertelstunde seine Mutter sagen hörte:»Große Unabhängigkeit im Herzen.«
    »Arme Mutter, ich habe sie betrogen!« rief er und lief nach dem Ufer der Sarthe.
    Er kam bei der schönen Pappel an, wo er seit vierzig Tagen über so vieles nachgedacht und wohin er zwei schwere Steine zum Sitzen getragen hatte. Er betrachtete die schöne Gegend, auf der der Mondschein lag. Noch einmal stieg eine ruhmvolle Zukunft vor ihm auf: er kam durch Städte, wo sein Name widerhallte; er hörte das Beifallklatschen der Menge, atmete den Weihrauch der Huldigungen ein, berauschte sich an seinem erträumten Leben, schwang sich strahlend zu strahlenden Triumphen auf, errichtete sich ein Denkmal des Ruhms, beschwor alle seine Illusionen vor seinen Sinnen herauf, um ihnen in einem olympischen Taumel für immer Lebewohl zu sagen. Einen Augenblick war die Bezauberung möglich gewesen; nun war sie für immer dahingeschwunden. In diesem höchsten Augenblick umfing er seinen schönen Baum, an den er sich wie an einen Freund gelehnt hatte, mit den Armen; dann steckte er einen Stein in jede Tasche seines Mantels und knöpfte ihn zu. Er war absichtlich ohne Hut weggegangen. Er suchte die tiefe Stelle, die er seit langem gewählt hatte; er ließ sich beherzt hinuntergleiten, wobei er bemüht war, möglichst wenig Geräusch zu machen, und es gelang ihm. Als gegen halb zehn Uhr seine Mutter nach Hause kam, sagte die Magd nichts von Athanase, sondern gab ihr einen Brief. Madame Granson öffnete ihn und las die wenigen Worte: ›Meine gute Mutter, ich bin fortgegangen, zürne mir nicht!‹
    »Er hat einen schönen Streich gemacht!« rief sie. »Und seine Wäsche! Und Geld! Nun, er wird mir schreiben, ich werde ihn finden. Daß die Kinder doch immer klüger sein wollen als Vater und Mutter.« Und sie legte sich ruhig schlafen.
    Die Sarthe war am Morgen vorher stark angeschwollen, und die Fischer hatten das vorausgesehen. Dieses Anschwellen trüben Wassers treibt die Aale in Scharen aus ihren Bächen in den Fluß. Ein Fischer hatte seine Netze an der Stelle ausgeworfen, die sich der arme Athanase in der Hoffnung ausgesucht hatte, daß man ihn dort niemals finden würde. Gegen sechs Uhr morgens brachte der Fischer den Leichnam des jungen Mannes herauf. Die zwei, drei Freundinnen, die die arme Witwe besaß, wendeten alle erdenkliche Vorsicht an, um sie auf die Schreckensnachricht vorzubereiten. Man kann sich vorstellen, was für ein Aufsehen dieser Selbstmord in

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