Die alte Villa (German Edition)
kleinen Leiterwagens. Das sah nicht nur hübsch aus, sondern ergab auch einen netten kleinen Verkaufsstand, so dass sie hier gleich 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte.
Zum Marktplatz war es nicht mehr weit. Ein Nachbar nahm sie zweimal im Jahr mit seinem Transporter mit nach Rheinbach, wenn hier ein großer Markt stattfand. Groß genug war er nun auch wirklich, der gepflasterte Marktplatz der kleinen rheinischen Stadt.
Uralte Fachwerkhäuser säumten das weitläufige Areal zu den Längsseiten. Man fühlte sich augenblicklich zurückversetzt in eine schon längst vergangene Zeitepoche, als es hier noch ‚echte’ Hexen gab, also solche, die von einer Aura der Zauberei umgeben waren und die man heimlich um Rat fragte, wenn sich scheinbar unlösbare Probleme oder Krankheiten einer Person bemächtigt hatten. Weise Frauen, die man mitten im Wald in ihrer kleinen Holzhütte aufsuchte, am Erfolgversprechendsten tat man dies bei Vollmond, damit die von ihr verabreichten ‚Mittelchen’ ihre größtmögliche Wirkung entfalten konnten.
Doch war ein Hexen-Outfit auch im 20.Jahrhundert durchaus nützlich, um möglichst viele Käufer auf sich aufmerksam zu machen. Sie schaute an sich herunter. Im Grunde trug sie doch nur eine braune Leinenschürze und eine ebenso braune Cordweste. Ihre ergrauten Haare hatte sie mit einer groben Kordel zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Ansonsten war eigentlich gar nichts an ihr verändert.
Ich alte Hexe.. murmelte sie vor sich hin und kicherte dann amüsiert.
Sie war sicher, dass sie den Gebrüdern Grimm gefallen hätte …. Stammte die Vorgabe, wie eine Hexe auszusehen hätte, nicht sogar ausschließlich aus ihren Märchenbüchern?
Die kleine alte Frau spürte plötzlich einen Blick in ihrem Rücken.
Darin war sie tatsächlich meisterlich, im Erspüren von menschlichen Schwingungen. Noch ehe sie sich umdrehte, wusste sie bereits, dass eine ängstliche hilfesuchende Person hinter ihr stand. Der zierlich gebaute rothaarige Junge bestätigte ihre Vermutung, so dass sie – ganz weise Frau – nun, anstatt überrascht dreinzublicken, eine recht bedachte, gütig lächelnde Mine aufsetzen konnte.
Hach, es ist doch schön, eine Hexe zu sein, dachte sie belustigt.
„Na, mein Kleiner, kann ich dir irgendwie helfen?“
„Ja, ich brauche ein paar Kräuter.. ähm eher seltene..“
„so, so, welche Kräuter suchst du denn?“
Der Junge lächelte. Dann zählte er auf, was an Kräutern er begehrte: „Anchusa tinctoria, Chrysanthemum coronarium, Lysimachia ephemorum und Carthamus tinctorius“
Die gütig lächelnde Mine der alten Frau war mit einem Schlag verschwunden und nun schaute sie tatsächlich überrascht und brachte zunächst kein Wort heraus.
„Ooh…“ sagte sie dann. „Du bist ein echter Fachmann in Sachen Kräutern, oder soll ich vielleicht sagen, in Sachen Zaubertränke?“
Der Junge lächelte wieder.
„Ja, ich kenne mich ein wenig damit aus, aber leider habe ich keinen Garten, in dem ich Kräuter anpflanzen könnte.“
„Leider habe ich nicht alles dabei, was du brauchst, nur den Felberich“. Sie streckte dem Jungen ein kleines Büschel besagten Krautes entgegen. „Hier, nimm ihn ruhig, ich schenke ihn dir“. Doch als der Junge danach greifen wollte, kam die Sonne hinter den Wolken heraus und blendete die alte Frau, so dass sie nun gar nicht mehr wusste, wohin sie ihr Kräuter-Büschel denn nun reichen sollte. Die Gestalt des Jungen war nur noch ein Schatten vor dem gleißenden Licht der Sonne.
Die Alte musste die Augen vor Schmerz zusammenkneifen. Als sie sie wieder öffnete, war das grelle Licht, wie auch der Junge verschwunden. Die Kräuter hielt sie immer noch in der Hand.
Na ja, dachte sie. Schade, so ein netter kleiner Kerl..
Sie wandte sich wieder ihrem kleinen Verkaufsstand zu. Es war ein wunderbar milder Maitag, der ein gutes Geschäft versprach.
~
7 . Juli 1979
Endlich Ferien!
Doch an Ausruhen war vorerst nicht zu denken.
„Reich ’ mir mal diesen Karton da rüber, ja Rebecca?“
„Hier schnapp!“
„Hey, bist du irre? Reichen, habe ich gesagt. Da musst du ihn mir doch nicht an den Kopf schmeißen.“
Olga zog aus! Endlich!!
Mit Feuereifer räumte Olga ihre Schränke aus und verstaute alles in Umzugskartons. Eine Umzugsfirma konnten sie nicht bestellen. Das wäre viel zu teuer gewesen. Also mussten sie den ganzen Kram mit dem alten Opel von Fred transportieren.
Olgas Wangen glühten vor
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