Die alte Villa (German Edition)
vorgestellt, dabei immer mehr ins Detail gehend. Den Stein sorgfältig abtastend hatte sie jede kleine Unebenheit oder Vertiefung auf seiner Oberfläche wahrgenommen, ihn Millimeter für Millimeter erspürt. Wieder und wieder hatte sie sich dabei die Gestalt Majas in Erinnerung gerufen.
Sie hatte vor ihrem inneren Auge einen klaren Film der Szenerie erschaffen, in dem sich Maja nach ihr umgedreht und immer die gleichen Worte gesagt, immer das gleiche Lächeln gelächelt, die gleiche Handbewegung ausgeführt hatte.
Dann war es perfekt gewesen! Genau so hatte es sich tatsächlich abgespielt, im Garten von Tamara, als Maja den Stein aufgehoben und ihn Rebecca gezeigt hatte!
Jetzt konnte sie es versuchen!
In dem Bild ihrer Imagination hatte sie nun die Hand auf die Schulter von Maja gelegt, woraufhin diese sich sogleich nach ihr umgedreht hatte. Zu den vertrauten Bildern der Erinnerung hatte sie nun ganz bewusst neue Bilder hinzugefügt!
Hilfesuchend hatte sie Maja in die Augen geschaut. Ohne ein Wort zu sagen, aber das war auch nicht nötig gewesen.
Majas Gesichtsausdruck war ernst geworden und augenblicklich hatte Rebecca eine Gewissheit durchströmt, dass ihr Hilferuf angekommen war.
Vorsichtshalber hatte sie diese Übung noch ein paar Mal wiederholt. Wenig später hatten die beiden Männer sie dann abgeholt.
Inzwischen war sie schon mindestens eine Stunde gemeinsam mit Torsten eingeschlossen in diesem Raum
Vor ein paar Stunden noch, hatte sie sich, als sie auf dem Friedhof war, sehnsüchtig gewünscht, Torsten zu sehen. Noch heute wollte sie ihn sehen, so konkret hatte sie diesen Wunsch geäußert. Wie schnell wurde er erfüllt! Doch die Umstände ihres Zusammentreffens waren mehr als ungewöhnlich.
Torsten kam zwischendurch immer wieder zu sich, aber Rebecca konnte ihm nicht helfen. So sehr sie sich auch mü hte, sie schaffte es nicht, die Knoten seiner Fesseln zu lösen.
Den ganzen Raum hatte sie verzweifelt nach Dingen abgesucht, die ihr dabei nützlich sein könnten, seine Fesseln zu zerschneiden, doch befanden sich, außer wenigen Möbelstücken, so gut wie keine weiteren Einrichtungsgegenstände in dem Zimmer.
Wenig später hörte sie Schritte, die sich über den Gang näherten. Jemand schloss die Tür von außen auf, dann betraten zwei vermummte Männer den Raum.
„Was habt ihr mit ihm gemacht?“, brüllte Rebecca die beiden an.
„Er ist ein Spion“, sagte der eine von ihnen.
Sofort erkannte sie die Stimme des Vermummten.
„Michael, was soll diese alberne Verkleidung? Erzähl’ mir lieber, was das Ganze hier soll!“
Die vermummte Gestalt, in der Rebecca Michael erkannte, zögerte, sagte dann:
„Du wirst es früh genug erfahren, du falsche Schlange! Der Meister wird bald hier sein und du wirst ihn endlich erlösen von dem Bösen, das du verkörperst.“
„Was redest du für einen Schwachsinn! Du sprichst wohl von Kelbel, diesem hirnlosen Typ. Der hat Angst vor mir und nicht umgekehrt.“
Rebecca schnaubte vor Wut. Sie ging auf Michael los und wollte ihm den Kopfbehang herunterreißen, aber dieser schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht.
Mit dem Zorn und Temperament eines rasenden Stiers stürzte sie sich auf Michael und riss ihm die Kapuze vom Kopf. Er machte sich nicht die Mühe, sie wieder aufzusetzen.
Sein Komplize stand stocksteif neben ihm und schien die Szene durch seine in die Kapuze eingearbeiteten Sehschlitze zu beobachten.
Rebecca konnte ihm für einen kurzen Augenblick in die Augen schauen, bevor Michael erneut lospolterte:
„Du kannst von mir aus toben, wie du willst. Es wird dir eh nichts mehr nützen. Am morgigen Tag wirst du nicht mehr unter uns sein“, keifte er mit einem verächtlichen Grinsen, gab seinem Begleiter mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass sie nun gehen müssten, dann verließen beide den Raum.
Immer noch schäumend vor Wut setzte sich Rebecca wieder auf ihren Stuhl und dachte für einen kurzen Moment daran, einfach laut schluchzend zusammen zu brechen, doch besann sie sich stattdessen auf die Worte Tamaras, auf ihren Ratschlag, den sie ihr vor der Reise nach Bayern gegeben hatte:
‚Vergiss nicht, dich zu entspannen und immer wieder mit Energie aufzutanken. Konzentriere dich auf die Kraft, die in deinem Innersten verborgen ist.’
Sie seufzte laut. „Nützen mir diese Regeln denn jetzt noch, wo doch alles so aussichtslos ist?“
Ihr fielen weitere Worte Majas ein : ‚Schwarze Magie kann zu Besessenheit führen, wenn das Ziel, also
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