Die alte Villa (German Edition)
‚Lehren’ ja doch noch irgendwie von Nutzen sein in dieser, wie es schien, so ausweglosen Situation. Schließlich konnte man sich die Situationen, in die man geriet, nicht immer aussuchen. Dinge geschahen manchmal und man musste sich ihnen einfach stellen, ob man das nun wollte oder nicht.
Angst schlich sich mit drängender Macht in ihren Geist.
Lass keine negativen Gedanken zu!
Sie wusste nicht , ob ihr in ihrer derzeitigen Lage überhaupt noch irgendetwas helfen konnte.
Warum? Warum nur bin ich jetzt hier, in dieser grässlichen Situation?
Die langen Stunden, die sie im Keller der Villa verbracht hatte, fielen ihr wieder ein.
Sie hatte versucht, sich in der ausweglosen Situation an all’ die Dinge zu erinnern, die sie in den letzten Wochen versucht hatte, bei Tamara und Maja zu lernen.
Von ‚Kraft’ und von ‚Macht’ war oft die Rede gewesen. Welche ‚Macht’ war denn nur damit gemeint?
Was sie hier und heute brauchte, waren das nicht eher Kräfte, die sie nur aus Comic-Heften kannte? ‚Super-Kräfte’, mit denen sie die dicke Eisentür aufsprengen und die Eindringlinge wie Fliegen in die Flucht schlagen könnte?
Wie könnte die ‚Kraft der Liebe’ ihr gegen gemeine Entführer weiterhelfen? Gegen Menschen, die anderen Gewalt antaten und die sogar vor einem Mord nicht zurückschreckten? Um sich irgendwie abzulenken und um ihre Aura zu stärken, hatte sie einige Rituale durchgeführt, so wie sie es mit Maja geübt hatte.
Sie hatte sich dazu mitten in den stockdunklen Raum gestellt und darauf konzentriert, Kräfte zu sammeln. Kräfte, die irgendwo im Universum vorhanden waren und als Gegenstück in ihr selber schlummerten, die sie wie eine Ritterrüstung schützen konnten, sogar vor den bösesten Gedanken, zu denen Menschen fähig wären.
Mehrere Stunden hatte sie die Visualisierungsübungen gemacht, und dabei gleichzeitig versucht, jeden aufkommenden negativen, destruktiven oder angstvollen Gedanken aus ihrem Geist zu entfernen, indem sie es einfach in einer Art Befehl zu sich selber gesagt hatte.
Einmal hatte sie gemeint, sich nun größer zu fühlen als zuvor und geglaubt, ihre eigene Aura zu spüren, die ihren Körper wie eine feste leuchtende Hülle umgab. Sie hatte dabei immer wieder tief und konzentriert ein und aus geatmet.
Irgendwann hatte sie dann doch wieder die Verzweiflung übermannt und sie hatte begonnen, laut auf Maja zu schimpfen. Auf diesen ganzen mystischen Irrsinn, der ihr jetzt gerade überhaupt nicht helfen konnte.
Tränen waren über ihr Gesicht geströmt und die Kälte war ohne jeden Schutz in ihren Körper gekrochen und nichts und niemand hatte es vermocht, sie davon abzuhalten.
Sie würde hier sterben! Verhungern und Verdursten. Kein Mensch würde sie jemals hier finden!
Doch hatte sie sich ehrlich eingestehen müssen, dass ihre Wut ihr vermutlich auch nicht weiterhelfen würde. Im Gegenteil, wurde durch sie auch noch jeder klare Gedanken verhindert. Und war dies nicht das Einzige, was nun zählte? Sie musste ihren klaren Verstand behalten, um überhaupt noch eine Chance zu haben in dieser heiklen Situation richtig zu handeln.
Schließlich würde man sie doch sicher irgendwann hier herausholen. Und was immer dann auf sie warten würde, verlangte mit Sicherheit einen klaren Kopf.
Also hatte sie kurzerhand wieder Frieden mit Maja geschlossen und sich so gut es ging auf ihre zurzeit noch – wie es aussah- allzu‚verborgenen’ Kräfte besonnen.
Da es keine vernünftige Alternative zu geben schien, hatte sie mit ihren Visualisierungsübungen fortgefahren, auch um sich von ihrer Angst abzulenken, sich auf das ‚Jetzt’ und ‚Hier’ konzentriert, auf den Raum, in dem sie sich gerade befand, seinen muffigen Geruch, seine bleierne Schwärze und sein stummes Atmen.
Ein Gefühl der Vertrautheit hatte sich nach einiger Zeit zu ihr gesellt. Und es war ihr dabei so vorgekommen, als wäre da noch jemand im Raum gewesen. Eine andere Seele, die ihr ein wenig Geborgenheit spendete, und das Gefühl, sie sei nicht mehr allein. Eine unsichtbare Gestalt vielleicht? Oder auch nur eine vertraute Kraft, die aus ihrem Inneren kam?
Ganz plötzlich hatte sie an Marianna denken müssen. Was, wenn es wirklich stimmte, dass diese Villa einst ihrer Familie gehört hatte? Es war ja genau diese Villa, von der Tamaras Großmutter behauptet hatte, dass deren Bewohner mit ihrer eigenen Familie in einem nicht bloß dienstlichen, sondern vielmehr auch freundschaftlichen Verhältnis
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