Die alte Villa (German Edition)
herausbekommen?“
Anstatt zu antworten, öffnete Tamaras Besucher umständlich seine Tasche und holte einen Stapel Briefe heraus.
Er seufzte, und gab hiermit zum Ausdruck, dass ihm diese Briefe anscheinend schon eine Menge Mühe und Sorgen bereitet hatten. Dann hellte sich seine Mine plötzlich auf und er sagte, mehr zu sich selbst, als an Tamara gerichtet.
„Äußerst interessant diese alten Briefe. Ja, wirkli ch, sehr interessant.“
„Nun mach es nicht so spannend, Adalbert. Was steht denn nun genau darin?“
Adalbert räusperte sich.
„Unter anderem ein ausführlicher Stammbaum, der bis in die heutige Zeit reicht, na ja fast bis heute. Johanna Reutlin ist die Letzte in der Reihe. Den Anfang macht Mar ianna von Költing. Das arme Ding ist als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Ja, damals war die Familie noch sehr wohlhabend und die Verfasser dieser Briefe behaupten, dass ihnen der gesamte Besitz regelrecht gestohlen wurde von einem Mann namens Gregorius von Hohenstein. Beide Familien stammten hier aus der Stadt und auch das alte Herrenhaus, um das es geht, wurde hier erbaut und zwar im Jahre 1675. Es soll sich gegenüber dem Friedhof befinden und so viel ich weiß, steht doch dort auch so ein alter Kasten.“
Tamara hing an seinen Lippen, besann sich aber plötzlich darauf, dass sie Kaffeewasser für ihren Gast aufgesetzt hatte. Behände sprang sie zum Herd und schüttete dort kochend heißes Wasser in einen Filter, dann drängte sie ihren Gast, in seiner Erzählung fortzufahren.
„Doch das Haus, welches den ‚von Költings’ nach deren Aussage gestohlen wurde, hat den ‚von Hohensteins’ anscheinend wenig Glück gebracht. Zwei von ihren Nachkommen erhängten sich darin und viele Dramen spielten sich anscheinend in dieser Familie ab.“
Er machte eine Pause, während der Tamara ihm eine Tasse Kaffee einschenkte und vor ihm auf den Tisch stellte. Er goss etwas Sahne in seinen Kaffee, rührte diesen mit einem Löffel um, nahm einen kräftigen Schluck und fuhr dann in seiner Erzählung fort:
„Kinder starben kurz nach der Geburt, häufig dezimierten Krankheiten oder Unfälle die Mitglieder der Familie. Sogar von zwei Mordfällen innerhalb der eigenen Verwandtschaft war in einem Brief die Rede. Ja, und dann ging es auch um -..“ Er räusperte sich erneut „.. Magie – in diesen Briefen.“
Er senkte die Stimme. „Es ging um Hexerei!“
Sein Blick durchbohrte Tamara fast.
„Du bist doch auch eine, nicht wahr?“
Der alte Professor begann zu kichern.
„Deinem alten Freund Adalbert brauchst du ja nichts vorzumachen.“
„Tut jetzt nichts zur Sache!“, wiegelte Tamara ab. „Erzähl lieber, was noch alles in den Briefen stand. Wer hat sie denn überhaupt geschrieben?“
„Geschrieben wurden sie überwiegend von Frauen. Den wohl ältesten Brief hat Mariannas Großmutter geschrieben. Und den Zweiten ihr Bruder, der sehr unter dem Tod seiner Schwester gelitten hat. Ja, und dann ging es immer so weiter. Es scheinen aber eine Reihe Briefe zu fehlen. Über viele Zeiträume liegen keine Aufzeichnungen vor. - Aber wie gesagt, die Briefe haben eigentlich keinen urkundlichen Wert. Ob nun das Haus zu Unrecht enteignet wurde, das beweisen sie nicht. Vielleicht könnte man ja einmal im Haus selber nach weiteren Unterlagen suchen. So eine Hausdurchsuchung könnte ich schon arrangieren. Zu geschichtlichen Zwecken wird das sicher genehmigt.“
Tamara dachte nach. „Da müsste ich aber erst mit Rebecca sprechen. Denn schließlich geht es um sie und ihre Familie.“
Der Professor trank seinen Kaffee aus und stand dann auf.
„Musst du schon weiter, Adalbert?“, fragte Tamara enttäuscht.
„Ja, ja“, entgegnete dieser. „Wichtige Termine… Ich danke dir für den vorzüglichen Kaffee.“
„Nein, ich habe dir zu danken und stehe mal wieder in deiner Schuld. Hoffentlich kann ich mich in diesem Leben noch arrangieren.“
Der Professor lachte keck. „Na, wenn nicht in diesem, dann eben im nächsten“, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Inzwischen waren sie beide durch die Diele zum Ausgang des Hauses gelangt.
Adalbert hob zum Abschied schwach die Hand und ging dann wankenden Schrittes über den kleinen Weg, vorbei an lustig in der Morgensonne blühenden Narzissen, bis zum Tor an der Straße, öffnete es langsam, schloss es wieder, winkte nochmals mit seiner Ledertasche in Tamaras Richtung und ging gemütlich und ohne Hast seines Weges.
Tamara blickte ihm noch ein Weilchen nach
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