Die alte Villa (German Edition)
das üppige Frühstück hatten sie dagegen noch kaum angerührt, da schellte es schon wieder an der Tür.
„Ach herrje, wer mag das nun wieder sein!“ rief Tamara erschrocken und eilte zur Tür.
Sie riss die Augen auf, denn mit dieser Besucherin hatte sie nun wirklich nicht gerechnet!
„Guten Tag, Frau Kohlweis!“
Gütiger Gott, hatte ich ihr damals bei unserem langen Gespräch zwar meine Adresse, meinen richtigen Namen jedoch nicht mehr genannt?
„Frau Krause, ist etwas passiert? Kommen Sie doch herein!“
Frau Krause bewegte ihren voluminösen Körper ein wenig hinkend vorwärts und katapultierte ihn nun durch die schmale hölzerne Eingangstür in Tamaras Haus hinein.
Sie sah einfach furchtbar aus!
Ihre Gesichtszüge hingen schlaff herunter und hatten jede Farbe verloren. Ihre Stirn glänzte dagegen feucht.
Anscheinend hatte sie den ganzen Weg zu Tamaras Haus zu Fuß zurück gelegt, was für eine Person ihres Ausmaßes fast so etwas wie ein Marathonlauf gewesen sein musste.
„Rolf ist verschwunden!“, brachte sie keuchend hervor. „Gestern Abend wollte er zu einem Verwandten fahren und ist nicht mehr zurück nach Hause gekommen.“
„Oh – das ist ja furchtbar! Wieso sind sie nicht schon gestern zur Polizei gegangen?“
Frau Krause schluchzte. „Ich konnte doch nicht ahnen, dass er nicht doch noch kommt. Schließlich ist er kein kleines Kind mehr und Jungen seines Alters dürfen doch auch einmal länger wegbleiben, oder nicht?“
„Ja, das möchte man meinen, liebe Frau Krause“, antwortete Tamara und dachte insgeheim:
Aber Rolf ist vermutlich doch nicht ganz wie andere Jungen seines Alters, sondern ein wenig anders als andere. –
„Kommen Sie, jetzt trinken wir erst einmal einen Tee und dann überlegen wir, wie es weitergehen soll!“
~
Es war Marianna, die ihr da vom anderen Ende des Ganges aus fröhlich zuwinkte und dabei lachte!
Ihre roten Locken fielen über ihre Schultern.
Als sie Rebecca erreicht hatte, nahm sie diese bei der Hand und lachte ihr aufmunternd zu. Sanft zog sie Rebecca weiter den Gang entlang, öffnete eine große Tür und führte sie in den dahinterliegenden Raum. Die Sonne schien durch große hohe Fenster hinein und warf einen langen verzerrten Schatten auf den Parkettfußboden, der sich langsam hin und her bewegte, hin.. und her... hin.. und her..
Rebecca schrie auf.
Ihre Augen weiteten sich. Diesen Schatten sah sie nicht zum ersten Mal!
Erst letzte Nacht hatte sie ihn gesehen! Eine lange schmale Person mit abgeknicktem Kopf an einem Strick baumelnd. Endlos lang und seltsam schief.
Tot! Erhängt!
Schnell drehte sie sich um, aber statt Marianna stand Torsten hinter ihr und schaute nicht weniger erschrocken an die Decke des Raumes.
In der Nähe des Fensters stand ein wunderschöner großer Schreibtisch aus dunklem Mahagoniholz und darauf befanden sich einige Papiere, ordentlich zu einem sauberen Stapel übereinandergelegt. Die großen hohen Fenster boten einen wundervollen Ausblick in den parkähnlichen Garten der Villa.
„Dr. Bekell!“, rief Torsten voller Entsetzen.
„Marianna!“, murmelte Rebecca irritiert und schaute sich suchend um.
Ein Windhauch strich sanft durch das Zimmer und bewirkte, dass einige der Papiere vom Schreibtisch heruntergeweht wurden. Rebecca griff danach und hob ein Papier nach dem anderen wieder auf.
Sie legte sie wieder auf den Stapel zurück, nahm dann das oberste davon neugierig in die Hand und betrachtete es mit großer Verwunderung.
„Rebecca, was tust du da? Siehst du nicht, dass sich dort ein Mensch erhängt hat? Und da stöberst du in aller Seelenruhe in den Unterlagen des Toten herum!“
„Diese Papiere sind vielleicht wichtig“, sagte Rebecca wie in Gedanken.
Unter den Papieren befanden sich auch einige ganz alte Schriftstücke, die sie an die alten Briefe erinnerten, die sie Tamara gegeben hatte. Sie nahm den ganzen Stapel vom Schreibtisch und begab sich damit zur Tür. Sie wollte nicht länger wie nötig hier bleiben.
„ Lass uns wieder gehen“, sagte sie.
Dieser schüttelte heute schon zum zweiten Mal den Kopf und folgte dann Rebecca hinaus auf den Gang.
Sogleich war sie wieder da, diese unwirkliche und irgendwie elektrisierende Atmosphäre. Und tatsächlich!
Dort hinten auf dem Gang stand sie immer noch: Marianna!
Doch war sie nicht allein! An ihrer Hand hielt sie einen Jungen, der ein wenig kleiner als sie selbst war. Rebecca spürte die große Verbundenheit
Weitere Kostenlose Bücher