Die alte Villa (German Edition)
nur helfen wollten und andere Menschen an ihrem Wissen hatten teilhaben lassen wollen. Und so paradox dies auch klang, aus Sorge um ihr eigenes Leben hatten sie nicht selten dafür sorgen müssen, dass ihr Wissen vor ihrer Umwelt verborgen blieb.
Denn die Ignoranz, die überall herrschte, hätte ansonsten gedroht sie zu vernichten und mit ihnen alles Wissen, was oft über viele Jahrhunderte weitergegeben worden war.
Jetzt flossen die Tränen hemmungslos.
Schluchzend blieb Rebecca noch sehr lange auf ihrem Bett liegen. Die Dunkelheit, die langsam hereinbrach, tröstete sie ein wenig, verkörperte sie doch, trotz ihrer Traurigkeit über den Abschied des vergangenen und für immer verlorenen Tages, auch die Wahrheit über die zeitweise so dunkle und ungerechte Vergangenheit ihrer Familie und womöglich auch ihres eigenen Daseins.
19. März 1980
Am nächsten Morgen musste sie ihre verheulten Augen natürlich auch Hannelore erklären und sie erzählte ihr von Torstens Abschiedsbrief.
„So ein mieser Typ. Wie konnte er nur ohne ein Wort gehen. Sei froh, dass du den los bist. Er hat dich einfach nicht verdient gehabt.“
Rebecca hätte ihr gerne beigepflichtet, aber der Schmerz über die Trennung saß einfach zu tief. Und sie liebte Torsten immer noch von ganzem Herzen. Daran hatte auch der Brief nichts geändert!
Auch ihren Eltern blieb nicht verborgen, dass ihre Tochter Kummer hatte. Sie redeten zwar nicht darüber, wollten Rebecca aber gerne ein wenig aufmuntern.
Kurz entschlossen buchten sie über Ostern eine Woche Urlaub an der Nordsee und diese kleine Reise bewirkte tatsächlich ein Wunder. Mit Feuereifer packte Rebecca ihre Sachen. Zu reisen war so etwas Seltenes und deshalb Kostbares für sie, dass sie trotz ihres großen Kummers spürte, wie ein wenig Vorfreude aufkam und sie war auch froh, in eine andere Umgebung zu kommen, denn hier erinnerte sie plötzlich alles nur noch an Torsten.
“Jetzt tue ich etwas Gutes nur für mich“, murmelte sie leise und dachte dabei an Tamaras Worte.
Wie gut, wenn man so kluge Freunde hat , dachte sie voller Dankbarkeit.
Sie verbrachte mit ihren Eltern gemeinsam eine herrliche Woche an der deutschen Nordseeküste in der Gegend um Büsum mit Strandspaziergängen, Museumsbesuchen und vielen Ausflügen in die nähere Umgebung.
Endlich hatte sie auch einmal Glück, was das Wetter betraf, so dass Rebecca nach einer Woche schließlich mit einer ungewohnt frischen Gesichtsfarbe wieder nach Hause zurückkehrte.
28. März 1980
In der Post, die Olga ordentlich auf dem Telefonschränkchen im Flur der elterlichen Wohnung aufgestapelt hatte, fand Rebecca zwei Briefe von Greta, wovon einer an Elisabeth, der andere an Rebecca adressiert war. Rebecca las den an sie gerichteten Brief mehrfach und in aller Ruhe auf ihrem Zimmer:
‚Liebe Rebecca,
du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich mit Jeremy auf dem Bauernhof bin. Jeden Morgen stehe ich um 5 Uhr auf, um nach den Tieren zu sehen und stell’ dir nur vor, sogar mein Pferd ‚Sturmwind’ lebt noch. Er ist zwar inzwischen ein alter Gaul, den man nicht mehr reiten kann, aber er hat mich doch tatsächlich wieder erkannt!!
An meinem letzten Tag war ich ja, wie du vielleicht schon erfahren hast, im Krankenhaus, bei Rolf. Ja, ich denke, nein, ich weiß es, dass Rolf mein leibliches Kind ist. Sicher wunderst du dich, warum mich diese Erkenntnis nicht völlig aus der Fassung geraten ließ. Nun, das liegt vielleicht daran, dass ich selber ähnliches erlebt habe wie Rolf und daher mit der Zeit gelernt habe, die Dinge einfach zu akzeptieren, egal wie schlimm es auch kommen mag. So hält man sich auf der anderen Seite auch weiterhin für die Wunder des Lebens offen, von denen ich, auch bei der großen Anzahl an Schicksalsschlägen, auch schon so viele erleben durfte.
Und eines dieser Wunder ist Rolf!
Du glaubst gar nicht, welche Freude mir der Gedanke an ihn bereitet, zu wissen, dass ich ein Kind habe, dass es lebt und damals gar nicht gestorben ist und das Allerwichtigste, Rebecca, dass es, und das ist vielleicht das größte von allen Wundern, dass es den Weg zu euch gefunden, die vielen Kilometer überbrückt hat und in eurer und natürlich in der Obhut seiner Pflegeeltern aufwachsen konnte. Ist das nicht irgendwie unglaublich, Rebecca?
Ich bin ganz sicher, dass es ihm gut getan hat, dass ihr bei ihm gewesen seid und er wird euch mit Sicherheit so sehr lieben, wie man eben seine Familie
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