Die alte Villa (German Edition)
den Ort und gerade bog sie in die Straße ein, in der sich ‚eine gute alte Freundin’ befand, deren Anblick sie immer wieder aufs Neue betörte.
Ein Haus, beruhigend alt und groß, das hier schon seit vielen hundert Jahren stehen musste und mit einer erhabenen Gelassenheit zu beobachten schien, wie sich die Welt um es herum rapide veränderte. Mit Sicherheit hatte es sich auch selber verändert in all’ den Jahren, was blieb ihm sonst auch anderes übrig?
Auf dem Weg zur Schule kam sie jeden Morgen hier vorbei und dennoch hatte der wuchtige Gebäudekomplex nichts von seiner großen Faszination eingebüßt, die er auf sie ausübte, als wolle das alte Haus sie, jedes Mal, wenn sie an ihm vorüber ging, begrüßen wie eine alte Bewohnerin..
Sie war stehen geblieben und bewunderte das Haus aus einiger Entfernung. Es war gelb und grau angestrichen und bestand aus drei vollständigen Etagen sowie einem Dachgeschoss, welches durch eine Eindeckung mit grauem Schiefer optisch vom Rest des Gebäudes abgesetzt war.
Mit seinen Türmchen und den vielen Gauben sah es fast wie ein kleines Schloss aus.
Wie es wohl wäre, da oben im Dach eine kleine Wohnung zu haben? Von dort hätte man sicher einen tollen Ausblick über die ganze Stadt.
Leider konnte man von der Straße aus nicht sehen, wie weit sich der Garten hinter dem Gebäude noch hinzog. Im Grunde handelte es sich bei dem kleinen ‚Schlösschen’ um ein Herrenhaus, doch wen störte das schon. Das Haus wurde eines Tages einfach in ‚Die alte Villa’ umgetauft und das war seither sein Name. Jeder in der Stadt nannte es so.
Im großzügigen Vorgarten durften Rosen ohne jede Einschränkung und in vielen verschiedenen Farben das Terrain erobern und verbreiteten ein wenig ‚Dornröschen-Stimmung’. Dazwischen machten sich riesige Büsche von Lavendel und Katzenminze breit. Rote und weiße Spornblumen bildeten entlang der Natursteinwege riesige Teppiche.
Im hinteren Teil des Vorgartens ließen sich einige Blumenrabatten ausmachen, die aus flammendrotem Phlox, dekorativen Gräsern, sowie vereinzelt aus blühendem Rittersporn bestanden. Die farbigen Blüten bildeten einen aufregenden Kontrast zur gelb-grauen Fassade der alten Villa.
An dieser sonst eher belebten Straßenecke war es heute einsam.
Das feuchte neblige Wetter hielt wohl die meisten Menschen von einem Spaziergang ab und so schien die Straße an diesem Vormittag wie ausgestorben.
Mit verzücktem Gesichtsausdruck und wie gebannt schaute Rebecca zu dem alten Gebäude hinüber. In ihrer Vorstellung sah sie sich selber dort an der riesigen Eingangstür stehen und sie winkte ihrer Freundin Hannelore zu, die sie am Nachmittag besuchen kam.
Ihre langen roten Haare wehten im Wind und sie lachte glücklich und stolz über dieses schöne und prächtige Zuhause. Ja, sie konnte es sich richtig gut vorstellen.
Doch trug sie weder Jeans noch Turnschuhe, sondern ein langes schweres Kleid aus grünem Samt.
Rebecca war verwirrt.
Dieses falsche Bild störte ihre Träumerei. Natürlich war dieses Haus schon sehr alt und früher mussten die Leute wohl so gekleidet gewesen sein, aber sie selber bevorzugte doch etwas modischere Kleidung und sie würde niemals ein so langes, altmodisches Kleid tragen wollen. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, das rothaarige Mädchen, das da auf der Schwelle stand, hatte immer wieder dasselbe grüne Samtkleid an und sie lachte und freute sich unbändig.
Lautes Motorengeräusch riss Rebecca brutal aus ihren Träumen.
Genau neben ihr kam ein großer Kastenwagen zum Stehen. Die Tür wurde aufgerissen und zwei junge Männer sprangen heraus.
Rebecca ging erschrocken einen Schritt zur Seite. Die Männer, beide auffallend blass und schmal, beäugten sie misstrauisch. Dann öffneten sie die Hecktür des Autos und zogen mit vereinten Kräften einen riesigen Gegenstand aus dem Wagen heraus.
Ein Sarg!
Die beiden Männer hievten den großen Eichensarg aus dem Wagen und jetzt erst sah Rebecca auch die verdunkelten Gardinen an den Fensterscheiben des Autos. Dann trugen sie das Monstrum zum Haupteingang der alten Villa. Die schöne große Tür aus Eichenholz öffnete sich wie von Geisterhand und ließ die Männer samt Sarg hinein.
Rebecca war sich sicher, dass in dem Sarg kein Toter gelegen haben konnte. Wie hätten diese beiden schmächtigen Personen ihn sonst so mühelos tragen können?
Vielleicht ist in der Villa jemand gestorben und sollte nun abgeholt werden? , dachte sie mit
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