Die alte Villa (German Edition)
einigem Entsetzen.
Wie ausgelöscht war ihre romantische Stimmung und traurig überquerte sie die Straße. Nicht sehr weit von hier befand sich der Friedhof.
Sie hielt sich gerne auf dem Friedhof auf. Er war für sie wie ein großer Garten, der ihr ein kleines bisschen mitgehörte, denn hier lagen ihr Großvater väterlicherseits und ihre Großmutter mütterlicherseits begraben. Und seit ein paar Monaten nun auch ihre geliebte Tante Gertrud.
Ihre Großmutter hatte sie nie kennen gelernt. Sie soll noch nicht alt gewesen sein, als sie starb. Auf ihrem Grabstein stand jedoch nur ihr Name und weder Geburts- noch Sterbedatum. Ihre Mutter war zu dieser Zeit noch ein junges Mädchen gewesen und leider erzählte sie so gut wie nie von ihrer Mutter. Es existierten auch keine Fotos von ihr, was Rebecca sehr bedauerte.
Nun stand sie vor ihrem Grab und fühlte sich sogleich besser. Einfach dort zu stehen und auf den Grabstein ihrer Großmutter zu schauen, beruhigte sie. Sie fühlte sich geborgen.
Obwohl sie fast nichts über ihre Großmutter wusste, fühlte sie sich ihr sehr stark verbunden. Ein Gefühl, das nicht zu erklären war. Manchmal mischte sich auch eine ungestillte Sehnsucht hinzu, die Sehnsucht, sie doch gekannt zu haben, sie nur einmal lebend gesehen zu haben, von ihr im Arm gehalten worden zu sein, ihre Liebe und Zuneigung gespürt zu haben.
Nur ein einziges Mal.
Wohl zum hundertsten Male ermahnte sie sich, endlich zu akzeptieren, dass alles so ist, wie es nun einmal war und ihre Großmutter für immer für sie verloren wäre….
Ist es womöglich so, dass uns die Verstorbenen mehr Zuversicht vermitteln können als dies unsere lebenden Mitmenschen jemals könnten?
Sie fragte sich gerade, ob ihre Gedanken lächerlich waren, als ihr Blick auf die Umrandung des schönen alten Grabsteins ihrer Großmutter fiel….
Die Buchstaben!!
Wie oft hatte sie hier schon gestanden und niemals war ihr aufgefallen, dass außen am Rand des Grabsteins diese seltsam geformten Buchstaben eingraviert waren!
Ja, gesehen hatte sie die ungewöhnliche Verzierung schon, aber sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass es sich hierbei um Schriftzeichen handeln könnte! Vielleicht war sie so sehr an deren Anblick gewohnt gewesen, dass sie quasi den Wald vor lauter Bäumen übersah.
Doch wusste sie nun mit absoluter Sicherheit, dass es sich bei diesen eigenartigen Zeichen um Runen handeln musste. Sie hatte ganz ähnliche Zeichen im Buch über die Walpurgisnacht gesehen.
Nachdenklich schlenderte sie ohne ein bestimmtes Ziel an den Gräbern entlang. .
Manche der Gräber waren ihr schon sehr vertraut. Wie das von einer gewissen Sophie Katzemich, die im hohen Alter von 87 Jahren gestorben ist.
Auch bei ihrem Grab handelte es sich um eine uralte Familiengrabstätte, gut zu erkennen an einer schon recht fortgeschrittenen Verwitterung des Steines samt der darin eingravierten Inschriften. Später kamen weitere Inschriften hinzu, die noch problemlos lesbar waren.
Aus Namen und Daten konnte Rebecca rekonstruieren, dass Sophie Katzemich ihren Mann im 1.Weltkrieg verloren hatte und im 2.Weltkrieg dann den Sohn. Der Sohn ist im gleichen Jahr geboren, in dem der Vater starb, 1918, und starb 1940 im Alter von 22 Jahren.
Dieses Schicksal rührte Rebecca immer wieder aufs Neue und sie stellte sich die Frau vor, mit welcher Kraft sie ihr Schicksal getragen hatte und nach diesen beiden Tragödien, als sie zuerst den Mann und später dann noch den Sohn verlor, noch so alt werden konnte.
Sie riss die Augen vor Erstaunen auf, denn auch hier entdeckte sie die gleichen geheimnisvollen Zeichen auf dem seitlichen Rand des uralten Steines!
Nach einigem Suchen fand sie einen weiteren alten Grabstein, der aus einem riesenhaften Naturstein bestand, an dessen Rand ebenfalls bizarre Schriftzeichen eingraviert waren. ‚Marianne Kolb’, war dort eingraviert und darunter ‚1897 – 1945’.
Es bestand für sie keinerlei Zweifel, dass es sich hier um wichtige geheime Botschaften handeln musste.
Es würde einen Grund dafür geben, dass man sich einer Art Geheimschrift bedient hatte. Eine Schrift, die nur Eingeweihte entziffern konnten!
Sie war gerade dabei, eine Inschrift auf einem schönen Grabstein noch neueren Datums zu lesen:
‚ Nun endlich darf er die Berge seiner Träume erblicken… ’, als eine Stimme die Stille des Ortes wie ein Messerschnitt durchfuhr:
„Guten Tag Fräulein Stein!“
Blitzschnell drehte sie sich um
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