Die alte Villa (German Edition)
ihren Namen überhaupt gemerkt hatte.
Er sah noch viel besser aus als bei ihrem letzten Treffen, fand sie.
Braungebrannt und gekleidet mit einer Jeans und einem schwarzen Cordhemd, bei dem die oberen Knöpfe offen standen und einen kleinen Teil seiner muskulösen Brust herausschauen ließen. Die blonden krausen Haare trug er jetzt ganz kurz geschnitten. Dadurch wirkte er noch männlicher und sogar noch etwas älter.
„Was hast du dir denn da Interessantes ausgeliehen? Einen Liebesroman?“
„Nein“, sagte Rebecca ärgerlich und zeigte ihm den Buchtitel in ihrer Hand.
Sogleich bereute sie es schon, denn ein Grinsen machte sich auf Torstens Gesicht breit. „Moderne Psychologie – Hexerei – Irrglaube – Übersinnlichkeit?“ las Torsten leise murmelnd vor.
„Was hat denn Psychologie mit Hexerei zu tun?“, fragte Torsten und sein Grinsen verschwand.
Als hätte der in ihr aufsteigende Ärger ihre Schüchternheit verscheucht, hatte Rebecca ihre Fassung augenblicklich wiedergefunden.
„Auf den ersten Blick nicht viel, aber man kann durch die Psychologie über Umwege dorthin gelangen.“
„Glaubst du an Hexen?“
„Nein , natürlich nicht!“, sagte sie schnell und gleich darauf ärgerte sie sich schon wieder über sich selber, weil sie sich irgendwie ertappt vorkam.
„Ich schon“, erwiderte Torsten und Rebecca schaute ihn schockiert an.
Sie trug die Haare heute zu einem Pferdeschwanz gebunden, da sie ihr sonst beim Lesen zu oft ins Gesicht fielen. Gekleidet hatte sie sich sehr lässig mit einem Sweatshirt, alten Turnschuhen und einer ausgewaschenen Jeans. Torsten schaute ihr jetzt ganz tief in die Augen und sie konnte ein Blitzen darin erkennen.
„Ich glaube, dass du die Männer verhexen kannst, Rebecca“, sagte er mit betont geheimnisvoller Stimme.
Sie konnte nicht anders als laut zu lachen und dachte: Scherzkeks – so eine alberne Anmache!
„Doch, es ist ganz sonderbar. Seit ich dich getroffen habe, gehst du mir nicht mehr aus dem Sinn. – Bitte versteh ’ mich nicht falsch, Rebecca, aber es vergeht nicht ein Tag, da ich nicht wenigstens einmal an dich denke und gerade vorhin, als ich es wieder getan habe, stehst du -“, er schnippte mit den Fingern „- augenblicklich vor mir.“
Rebecca verdrehte die Augen.
Ich glaube dir kein Wort, verrückter Spinner...
Als nächstes würde er sie sicher zum Eisessen einladen und davor hatte sie furchtbare Angst. Deshalb gab sie vor, ihren Bus zu verpassen und machte sich auch sogleich auf den Weg.
„Bist du öfter hier in der Bücherei?“, rief Torsten ihr nach.
„Ja“, rief sie und fing an zu rennen. Sie musste ja ihren Bus bekommen!
Als sie ein paar Minuten gelaufen und schon ganz außer Atem war, fiel ihr ein, dass sie doch mit dem Fahrrad gekommen war und dieses stand vor der Bücherei!
„So ein Mist“, fluchte sie. Dieser blöde Kerl.
Doch dann musste sie lauthals über ihr kindisches Verhalten lachen.
Grinsend ging sie noch ein Stück weiter, denn sie wollte nicht gleich wieder umkehren, um ihr Rad zu holen, da sie dort womöglich Torsten noch einmal über den Weg gelaufen wäre. Dann wäre ihre faule Ausrede aufgeflogen. So schlenderte sie um die nächste Straßenecke, ihr geliehenes Buch in der Hand.
Es war ein etwas nebliger, trüber Tag und für August war es eigentlich viel zu kalt.
Das Wetter in diesen Sommerferien war bisher ausgesprochen schlecht gewesen. Es reihte sich ein Tiefdruckgebiet an das andere.
Wie gerne wäre Rebecca jeden Tag ins Schwimmbad gegangen, um ihrer hellen Haut ein wenig Sonnenbräune zu verpassen.
Sie begann zu laufen. Das machte sie oft, dass sie, anstatt zu gehen, wie alle anderen Fußgänger, einfach ein Stück rannte. Manchmal begann sie mit einem unregelmäßigen Hopserlauf, so als würde sie damit nur Schwung holen wollen, um im nächsten Moment los zu spurten. Schnell zu laufen bedeutete für sie pure Lebensfreude. Darin konnte sie ihre inneren Spannungen auf eine produktive und gesunde Art loswerden. Sicher spielte dabei auch ihre Ungeduld eine Rolle und der Wunsch, immer so schnell wie möglich von einem zum anderen Ort zu kommen.
Sie machte sich niemals Gedanken darüber, wie ihre Art der Fortbewegung auf andere wirken könnte, da sie es viel zu sehr liebte, sich zu bewegen. Was sollte daran falsch sein, dass man seine Beine benutzte, deren Bestimmung wohl vom Ursprung her in erster Linie Laufen und Rennen gewesen war?
In flottem Tempo lief sie beinahe wahllos durch
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