Die alte Villa (German Edition)
Bach, der nach wochenlangen, ergiebigen Regenfällen mit ungewöhnlich starker Strömung durch die idyllische Landschaft floss. Das erzählte sie den Männern, die sie verhörten, aber nichts von ihrem Traum.
Sie hatten sie gleich am nächsten Tag abgeholt. Ihre Großmutter und ihr kleiner Bruder weinten. Sie bettelten und flehten die Männer an, aber es gab kein Entrinnen. Man stieß sie grob auf einen Wagen und brachte sie fort. Fort aus ihrem Wohnort. Die Fahrt ging über holprige Fahrwege und irgendwann wurde ihr die Gegend fremd. Die ganze Fahrt über musste sie auf dem harten Holzboden liegen, so dass ihr schon bald jeder einzelne Knochen weh tat.
Als das Pferdefuhrwerk sein Ziel erreicht hatte, war es finstere Nacht.
Sie vernahm Schritte, denen Stimmen folgten: „Bringt sie in den Turm! In den Turm mit ihr!!“
Man sperrte sie in eine dunkle kalte Zelle. Dort wartete sie viele Tage. Es war kalt und ihre eisigen Füße taten weh. Es war ein endloses Warten. Doch worauf?
Dann kam die Großmutter sie tatsächlich besuchen. Die liebe gute Großmutter. Sie erzählte, dass man ihnen alles weggenommen hatte, den gesamten Besitz. Aber das wäre ja gleichgültig, wenn sie nur ihr Leben retten könnten.
Sie tröstete ihre Großmutter und strich ihr über die Wange. Wie gerne hätte sie ihren kleinen Bruder noch einmal gesehen.
Ganz langsam erwachte Rebecca. Sie gab sich noch für einige Zeit ihren Gefühlen hin und weinte leise schluchzend in ihr Kopfkissen.
Warum konnte ihr denn niemand helfen?, dachte sie verzweifelt.
Kaum, dass sich der Gedanke ihrer bemächtigt hatte, zuckte sie heftig zusammen.
War es denn nicht normalerweise so, dass die fremden Personen eines Traumes meist nur Aspekte der eigenen Persönlichkeit verkörperten? Das hatte sie in einem Buch über Traumdeutung gelesen.
Doch schien es diesmal so, als wäre das rothaarige Mädchen einerseits ein Teil von ihr selbst, und andererseits auch wieder eine ganz eigenständige Person.
Und sie kam aus einer längst vergangenen Zeit….
Warum führten sie ihre Träume diesmal so weit in die Vergangenheit zurück?
Sie stand schließlich auf und wollte sich den Brief , den sie spätabends, bevor sie ins Bett gegangen war, auf ihren Schreibtisch gelegt hatte, nochmals ansehen. Schließlich stammte auch er aus einer längst vergangenen Zeit.
Hektisch kramte sie in allen Schubladen, doch blieb der Brief spurlos verschwunden.
Am nächsten Morgen wurde sie erst sehr spät wach. Es war Sonntag und so hatte sie den Wecker nicht gestellt. Ihre Mutter kam in s Zimmer und sogleich fiel ihr der verschwundene Brief wieder ein.
„Mama, hier auf dem Schreibtisch lag ein Brief und jetzt ist er weg!“, sagte sie, inzwischen auf ihrem Bett sitzend und in einem Ton, als würde sie die Mutter höchstpersönlich beschuldigen, den Brief entwendet zu haben.
„Schatz, ich weiß nicht was du meinst und ich hab’s außerdem eilig. Die Messe fängt in zehn Minuten an. Ich muss jetzt los.“
Als ihre Mutter gegangen war, stand sie auf und ging zum Fenster. Es war immer noch offen und sie schaute hinunter auf den Hof.
Kopfschüttelnd begab sie sich zu ihrem Kleiderschrank und öffnete die beiden Flügeltüren. Unter einem Stapel Wäsche hatte sie die anderen Briefe und die alten Bücher vorsorglich versteckt und wenigstens waren diese noch da.
~
8.September 1979
Pünktlich um 19 Uhr stand Hannelore bei Rebecca vor der Tür. Sie hatte sich richtig in Schale geworfen und ordentlich ‚Make Up’ aufgelegt.
Zu einer ausgewaschenen blauen Jeans trug sie einen enganliegenden etwa hüftlangen, dunkelroten Strickpulli. Die immer noch von der Sommersonne gebleichten Haare waren recht ‚unordentlich’ frisiert, das hieß, Hannelore hatte sie wohl ‚über Kopf’ geföhnt, so dass sie nun wild vom Kopf abstanden, was der gepflegten Erscheinung aber nur das gewisse Extra verlieh. Rebecca hatte ebenfalls eine enganliegende ausgewaschene Jeans an und auch sie trug einen schicken Pullover.
Der Herbst war nun endgültig eingezogen. An manchen Abenden war es abends doch schon recht frisch.
Rebeccas Pulli leuchtete in einem intensiven Grasgrün, welches besonders schön mit dem Rot-Ton ihrer Haare harmonierte. Und natürlich trug Rebecca ihre Haare auch heute wieder offen. Die langen roten Locken fielen ihr verführerisch bis zu den Hüften, und das alleine ergab schon einen atemberaubenden Anblick.
Gemeinsam traten die Freundinnen vor den
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