Die alte Villa (German Edition)
hatte er anscheinend eine Idee, denn auf seinem Gesicht erschien ein begeistertes Strahlen, zu erkennen an den hoch gezogenen Augenbrauen und einem breiten Grinsen in seinem rundlichen Gesicht. „Fragen wir doch die Bedienung!“
Er senkte die Stimme. „Es ist die gleiche wie bei unserem letzten Besuch“, flüsterte er und zwinkerte dabei lustig mit den Augen. „Gute Idee, Heinrich“, rief seine Frau begeistert.
Da es an diesem Nachmittag nicht besonders voll war in dem kleinen Cafè, plauderte die ältere Dame gerne ein wenig mit ihnen.
„Ich würde gerne wissen, was es mit den beiden Hexentürmen auf sich hat“, wagte Rebecca einen Versuch, das Gespräch auf das von ihr favorisierte Thema zu lenken.
Die ältere Dame, die sich ein weißes Schürzchen um ihre Hüften gebunden hatte, wurde sogleich um einiges lebhafter.
„Die Hexentürme sind ja das Wahrzeichen von Rheinbach“, erklärte sie. „Sie stammen noch aus dem tiefsten Mittelalter, als es noch echte Hexen hier gab!“
Echte Hexen, dass ich nicht lache… überlegte Rebecca gerade, da kam ihr eine Idee.
Sie würde es schon irgendwie schaffen, die Bedienung des Cafés, die anscheinend eine Einheimische des Städtchens war, ein wenig aus der Reserve zu locken.
„Ich habe gehört, dass es hier Geister geben soll, die in der Nähe der Hexentürme ihr Unwesen treiben“, log sie ganz frech. Angriff war doch immer noch die beste Verteidigung!
Die Frau schaute sie erschrocken an.
„Wer hat Ihnen das erzählt?“
„Ein älterer Herr, den ich im Museum getroffen habe. Er hat sich mir leider nicht mit Namen vorgestellt.“
Elisabeth schaute ihre Tochter schockiert an, ihr Mann schmunzelte und konnte sich sein Lachen nur noch schwer verkneifen.
„Ja, genau, ich sah das Gespenst heute Mittag vor dem Museum herumlungern. Sie sollten sich wirklich mehr um ihre Geister kümmern, sonst stellen die noch jede Menge Blödsinn an und vertreiben Ihnen die Cafè-Besucher!“ Heinrich Stein grinste.
Doch sein Spaß schien absolut nicht auf Gegenliebe zu stoßen. Die Kellnerin des Museums-Cafès war inzwischen ganz blass geworden. Sie zögerte kurz, doch schien sie sich dann ein Herz zu fassen.
„Damit macht man keine Späße! Mir erschien der Geist das letzte Mal, als ich noch ein Kind war. Man erzählt sich im Ort, dass er sich nur wenigen Menschen offenbart. Wenn er dies tut, dann gibt es bald einen Toten zu beklagen in der Umgebung desjenigen, der den Jungen gesehen hat“. Die betagte Kellnerin machte ein ernstes Gesicht. Die Sache mit dem Geist schien sie in keinster Weise zu belustigen.
„Was für ein Junge denn?“, fragte Rebecca neugierig.
„Der Legende nach soll es sich bei dem Geist um einen Jungen handeln, dessen Schwester hier im Turm als Hexe eingesperrt worden war. Er hielt so lange Wache am Fuße des Turms, bis er dort eines Tages starb. Seitdem findet sein Geist keine Ruhe und er irrt in der Stadt herum, immer auf der Suche nach seiner geliebten Schwester!“
Rebecca hatte gebannt an ihren Lippen gehangen. Was für eine traurige Geschichte !
„Und die Schwester? Was ist mit ihr geschehen?“
„Sie wurde als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt!“
„Irrt sie auch als Geist durch die Stadt?“
„Nein, davon weiß ich nichts. Es gibt nur diesen Jungen, der hier von einigen schon gesehen worden ist!“ Die Kellnerin wurde nun ungeduldig, auch hatten sich ein paar Gäste im Café eingefunden, so dass sie sich wieder an ihre Arbeit machen musste.
„Das ist wirklich spannend“, murmelte Rebecca vor sich hin.
„Ich finde das gruselig“, meinte ihre Mutter. Dann wandten alle drei ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Torte zu.
Rebecca grübelte noch am Abend, als sie in ihrem Bett lag, über die Legende des Geistes von Rheinbach nach. Wenn’s nun wirklich wahr wäre….
Sie fragte sich auch, ob wohl ihr erster Besuch hier in Rheinbach, als sie gerade einmal 6 Jahre alt gewesen ist, ebensolche Gefühle in ihr ausgelöst hatte, wie es bei ihrem heutigen geschehen war? Ob wohl der dort herum irrende Geist daran Schuld gewesen war?
Sie wollte gar nicht wissen, welche entsetzlichen Geheimnisse die Hexentürme von Rheinbach vor der Nachwelt verbargen. Wie viele unschuldige Opfer wurden dort wohl eingesperrt, um bei bitterer Kälte und Hunger auf ihren Prozess zu warten? Ein Prozess, der ohne jede Chance auf einen Freispruch abgehalten worden war…
~
27.August 1979
Die Schule ging wieder los und Hannelore
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