Die alte Villa (German Edition)
zu lange geärgert hatte.
Das war doch mal ein Erfolg!
Sie wusste, dass Herr Kelbel wegen der ganzen Angelegenheit nicht zum Direktor gehen würde. Sie konnte nicht sagen warum, aber sie wusste es einfach.
Nach der Schule hatte sie überhaupt keine Lust nach Hause zu fahren. Aber wo sollte sie denn hin? Zu Torsten konnte sie auch nicht gehen. Sie wusste ja noch nicht einmal wo dieser wohnte.
Sollte sie in den Wald fahren und mit den Bäumen reden, so wie Tamara es immer in ihrer Jugend gemacht hatte?
Der Staatsforst begann nicht weit von der Schule und so fuhr sie die wenigen hundert Meter und tauchte ein in die Geborgenheit des Waldes. Sie fuhr ziellos mit dem Rad durch den herbstlichen Wald und beruhigte sich dabei ein wenig.
Rolfs Bemerkung kam ihr wieder in den Sinn und sie grübelte darüber nach. Wieso wusste er davon, dass bei ihnen Elektrogeräte kaputt gingen, wenn sie wütend wurde.
Aber klar, natürlich, sein Vater war es ja, der ihnen immer so zuverlässig neue Geräte besorgte. Aber das erklärte noch nicht, dass er SIE dafür verantwortlich machen musste.
Ob er bei ihnen an der Tür lauschte, wenn in ihrer Familie schon mal die Fetzen flogen?
Bei dem Temperament ihres Vaters, welches sie selber ja zu allem Übel auch noch geerbt hatte, kam das leider immer wieder vor. Dabei passierte es gelegentlich, dass Gläser zu Bruch gingen oder Geschirr vom Tisch fiel.
Sicher hatte Rolf die Geräusche einfach missverstanden! So sehr sie auch darüber nachdachte, eine plausible Erklärung fiel ihr doch nicht ein.
Während sie ihren Gedanken nachhing, war sie unbewusst umgekehrt, hatte den Waldweg wieder verlassen und war wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen den gleichen Weg gefahren, den sie am Sonntag so mühselig gelaufen war, bis sie vor Tamaras Haus zum Stehen kam. Zuerst zögerte sie noch.
Tamaras Haus und der Garten kamen ihr heute so fremd vor. Es war ein regnerischer, wolkenverhangener Tag und der Vorgarten schaute sie heute aus einem nassen, traurigen Gesicht an. Auch die Asternbüsche boten keinen sehr erfreulichen Anblick. Ihre tropfnassen Blüten hingen schwer hinab und die Wiese unter dem Apfelbaum war vom Regen niedergedrückt und glänzte vor Nässe.
Die Äpfel hatte Tamara fast alle abgeerntet. Man spürte heute, dass der Winter bald kommen würde mit seinen unzähligen grauen Tagen, die Rebecca so hasste. Schnee hatten sie hier im Bergischen nur noch selten, so dass es vermutlich wieder eine langweilige und niemals endende Aneinanderreihung von grauen, feuchten und kalten Tagen geben würde.
Rebecca fasste sich ein Herz, stellte ihr Fahrrad auf der Straße ab und öffnete das kleine Törchen an der Straße.
An der Haustür fand sie keine Klingel, nur einen schweren eisernen Türklopfer und so betätigte sie diesen. Sie wartete ein Weilchen, dann hörte sie Schritte und die Tür öffnete sich. Sie wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Wie sollte sie ihren Besuch begründen?
Doch Tamara nahm sie sogleich bei der Hand und zog sie sanft in den Flur des gemütlichen Häuschens. Drinnen war es herrlich warm und es ging ihr gleich ein wenig besser.
„Ich wusste, dass du schon bald wiederkommen würdest, Rebecca. Komm herein, - wir gehen in die Küche. Dann können wir gemütlich eine Tasse Tee nach der anderen trinken.“
In der behaglichen Küche war es warm und anheimelnd. Wie bei ihrem ersten Besuch brannte wieder ein kleines Feuer im Kamin. Der schwarze Kater begrüßte sie schon wie eine gute alte Bekannte und machte einen Katzenbuckel, als er an ihrem Bein entlang strich. Er hatte wohl die ganze Zeit vor sich hingedöst und streckte sich nun genüsslich.
Rebecca liebte Katzen über alles. Sie waren sonderbare Wesen, irgendwie anders als alle anderen Tiere. Halb Tier und halb Geist und manchmal sogar ein ganz klein wenig Mensch.
„Wie alt bist du, Rebecca?“
„Siebzehn“
Tamara schaute sie sehr ernst an und schüttelte dann nachdenklich den Kopf.
„Als ich in deinem Alter war, da hatte ich eine Freundin. Sie hieß Johanna.“
Tamara lächelte.
„Es war deine Großmutter.“
„Meine Großmutter?“, fragte Rebecca bestürzt. „A-aber die ist schon sehr lange tot.“
Sie wusste sogleich, dass sie jetzt Unsinn geredet hatte, denn Tamara war ja nicht mehr die Jüngste und tatsächlich wäre ihre Großmutter wohl jetzt in Tamaras Alter gewesen, wenn sie noch leben würde.
„Wir sind durch dick und dünn gegangen. Sie war ein wunderbarer Mensch,
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