Die alte Villa (German Edition)
Kinderheim lebte, hatte sie davon geträumt, dass die Kirche im Dorf brennen würde und tatsächlich ist in der nächsten Nacht in der schönen alten Kirche, in der sie sich so gerne aufhielt, ein Feuer ausgebrochen. Vermutlich war es ein Jungenstreich gewesen, aber man hatte die Sache nicht endgültig klären können. Gut, dass sie keinem von ihrem Traum erzählt hatte.
So etwas hätte sich womöglich im Dorf herumgesprochen und die abergläubischen Dorfbewohner hätten sie am Ende für eine Hexe gehalten und hinter ihrem Rücken über sie getuschelt. So hatte sie immer alle Träume für sich behalten und mit niemandem ein Wort darüber gesprochen.
„Wir wollen heute in die Stadt fahren“, erzählte ihr Stiefvater gut gelaunt. „Alle zusammen!“ Und er lachte verschmitzt dabei, dass Greta nicht anders konnte, als sich von seiner guten Laune anstecken zu lassen.
In dem Moment betrat Jeremy die Küche. Er sah alles andere als ausgeschlafen aus. Im Gegensa tz zu seinem Vater schien er das Trinkgelage vom Vorabend nicht so gut vertragen zu haben. Sogar seine Mutter musterte ihn misstrauisch, wie Greta fand.
„Mein Gott, du bist ja ganz verkatert. Komm setz’ di, i mach dir einen Kaffee“, sagte Frau Schwabig zu ihrem Sohn.
Jeremy setzte sich.
Warum schaut er mich denn gar nicht an? wunderte sich Greta.
Er war heute ganz anders als sonst. Keine Begrüßung, kein einziges Wort. Stattdessen stöhnte er leise vor sich hin.
Sie setzte sich an den Tisch, neben Jeremy, und beobachtete ihn. Endlich schaute er zu ihr auf. Er wirkte nachdenklich.
Er schaut wie ein räudiger Hund , fand Greta.
Sie lächelte zögernd und er erwiderte ihr Lächeln matt.
„Na, meine große Schwester“, sagte er.
„Kommst du mit in die Stadt?“, fragte sie ihn.
„Aber natürlich, ich muss doch dabei sein, wenn wir mit meiner bezaubernden und bildhübschen Schwester zum Fotograf en gehen.“
„Was?“, fragte Greta erstaunt.
Sie musste wieder ihr grünes Samtkleid anziehen und machte sich die Haare zurecht, wie am gestrigen Abend, dann fuhren sie alle zusammen in die Stadt.
~
Greta setzte sich in Pose.
„Sehr schön“, lobte sie der Fotograf und es blitzte hell auf.
Dieses Foto stand von da an auf dem Kaminsims in der guten Stube der Familie Schwabig.
Aber seit diesem Abend im Oktober, an dem sie ihren 14. Geburtstag gefeiert hatten, hatte sich noch mehr verändert im Hause Schwabig. Genaugenommen war überhaupt nichts mehr so wie es vorher gewesen war. Vor allem Jeremy war ein anderer geworden. Warum nur war er auf einmal so ernst und verschlossen? Greta konnte sich keinen Reim auf sein Verhalten machen und sie flüchtete immer häufiger zu ihrem Pferd in den Stall. Wenn schon nicht mehr mit Jeremy, dann konnte sie wenigstens noch mit Sturmwind, ihrem schneeweißen Wallach reden.
So vergingen die Wochen und das Weihnachtsfest stand unmittelbar bevor.
Am 23. Dezember erzählte ihr Liesel, ihre Adoptivmutter, dass die Obermayers mit ihnen gemeinsam Weihnachten feiern würden. Greta kam das seltsam vor und sie hatte das komische Gefühl, als wäre auch ihre Adoptivmutter nicht so glücklich über diese Aussicht. Überhaupt vermisste Greta in diesem Jahr die gewohnte weihnachtliche Stimmung vor dem Fest, die mit jedem Tag größer werdende freudige Erwartung, wenn das Weihnachtsfest immer näher rückte.
Am Morgen des Heiligen Abends beschlich Greta statt Freude eine große undefinierbare Angst, die so schnell und vollständig Besitz von ihr ergriff, dass sie eine ganze Zeitlang wie gelähmt auf ihrem Bett saß und kaum wagte, hinunter zu gehen. Nach einiger Zeit klopfte es an ihrer Tür und die Bäuerin trat ein.
„Mein Gott, Greta, was ist denn mit dir los?“
Greta antwortete nicht. Die Angst hatte sie fest im Griff und jede Freude in ihr war wie ausgelöscht.
„Ich könnte deine Hilfe unten gebrauchen“, sagte die gute alte Bäuerin zu ihr und schaute sie dabei besorgt an. Daraufhin rappelte sich Greta auf und erhob sich von ihrem Bett. Sie wurde gebraucht, das lenkte sie ein wenig von ihrem desolaten Zustand ab.
Pünktlich um 18 Uhr kamen die Obermayers auf den Hof gefahren. Jeremy begrüßte sie und gab sich Mühe, eine gute Miene aufzusetzen. Den ganzen Tag über war er allen aus dem Weg gegangen, aber auf einmal schien er förmlich wie aufgedreht.
Als Greta zu ihrem Platz ging und sich dabei dicht an ihm vorbeidrängeln musste, stieg ihr ein unangenehmer und scharfer Geruch in
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