Die alte Villa (German Edition)
sich wieder vollständig an und schleppte sich mühsam zur Stalltür. Dann schlich sie, ungesehen von den Bewohnern des Hofes, auf ihr Zimmer. Die innere Versteinerung hielt ein Meer von Tränen in ihr gefangen, so dass sie für Stunden nur stumm an die Decke starren konnte.
Am nächsten Morgen erwachte sie früh. Die Sonne schien durchs Fenster und legte sich in hellen Streifen auf ihren Bettbezug. So sehr sie diesen Anblick sonst liebte, so erschreckte er sie nun.
Sie gehörte nicht mehr dazu!
Das alt vertraute und dabei so verhasste Gefühl aus alten Kinderheimtagen hatte wieder Besitz von ihr ergriffen, und sie konnte absolut nichts dagegen tun. Der frühe Tag war so unschuldig und rein und wieder gehörte er nur den anderen und nicht ihr!
Sie war allein. Eingeschlossen in einer grauen und kalten Welt. Sie wusste urplötzlich, dass sie nie wieder dazugehören, dass sie nie wieder ein Teil dieser Welt sein würde. Diese Erkenntnis war beinahe noch bitterer als die Empfindungen, die sie als Waise in einem von Nonnen geführten Heim gehabt hatte. Damals hatte sie immerhin noch eine blasse Erinnerung an ihre wahre Familie, sowie eine leise Hoffnung, eine neue Familie und ihren Platz in dieser anderen Welt zu finden. Doch nun hatte sie nichts von beidem mehr..
Und s ie begriff jetzt auch, was Schwester Gabriela ihr damals sagen wollte und wünschte sich, sie könnte ihr das alles erzählen. Sicher hätte sie es verstanden.
Viel grübelte sie über die Ehe, über das Kinder kriegen und all e diese Dinge nach. Warum wollten nur alle immer heiraten, ja sogar Frauen, wie z.B. Cornelia, wenn sie anschließend so eine Tortur über sich ergehen lassen mussten. Sie würde niemals heiraten, das wusste sie jetzt. Kein Mann sollte sie jemals mehr anrühren in ihrem ganzen Leben. Lieber würde sie sterben wollen.
Einige Wochen später erwachte sie morgens mit einer großen Übelkeit und sie musste sich heftig übergeben. Im Laufe des Tages ging es ihr wieder ein wenig besser, aber die Übelkeit kam regelmäßig jeden Morgen. Sie aß schlecht und sah blass und elend aus. Die Mutter wollte den Arzt bestellen, aber Greta wehrte schnell ab. Sie ahnte, dass kein Arzt ihr würde helfen können. Als ihr Bauch mit der Zeit immer voller und auch fester wurde, da wusste sie, dass sie ein Kind erwartete. Wie lange würde sie es noch geheim halten können?
Der Sommer kam und mit ihm viel Arbeit auf den Feldern. Greta musste immer häufiger Pausen einlegen, da sie schnell erschöpft war und es ihr noch dazu häufig schwindelig wurde.
Abends lag sie dennoch wach in ihrem Bett und grübelte über ihre ausweglose Situation nach. Das Gefühl der Fremdheit hier auf dem Hof hatte sie in die völlige Isolation getrieben. Sie sprach kaum noch ein Wort, aß wenig und trug weite Sachen, damit bloß niemand ihren Zustand erkennen sollte. Auch Jeremy ging sie so gut es ging aus dem Weg. Sie schämte sich so sehr und konnte seine Nähe mit einem Mal nicht mehr ertragen.
An einem Tag Ende August dann fasste sie ihren folgenreichen Entschluss.
Sie packte vorsorglich ein paar Sachen in eine kleine Reisetasche und schlich in aller Frühe, als sogar die Bauersleute noch schliefen, aus dem Haus. Dann lief sie ins Dorf und von dort aus auf der Landstraße den vertrauten Weg zum Kinderheim. Sie wollte zu Schwester Gabriela gehen und ihr all’ das Schreckliche, was sie erlebt hatte, erzählen.
Zögernd klopfte sie an die große Eingangstür des Kinderheims. Es dauerte nicht lange, da hörte sie Schritte und eine ihr fremde Schwester öffnete die Tür einen Spalt. Sie schaute Greta überrascht an und fragte sie nach ihrem Anliegen.
„Ich möchte zu Schwester Gabriela“, sagte sie und die fremde Schwester nickte. „Na, dann komm mal mit“, sagte sie und Greta folgte ihr.
Schon zu dieser frühen Stunde saß Schwester Gabriela an ihrem Schreibtisch. Als Greta schüchtern ihr Büro betrat, schaute sie das Mädchen mit ihren vorstehenden Augen aus ihrem kalkweißen Gesicht neugierig an.
Mit einem kalten triumphierenden Lächeln musterte sie die blasse und krank aussehende Greta und rückte ihr dann einen Stuhl zurecht, damit sie sich setzen konnte.
„Ich dachte mir, dass du eines Tages zurückkommen würdest. Die haben dich wohl nicht gut behandelt, was?“
„Schwester..“, begann Greta. Sie hätte sich das Ganze nie so schwer vorgestellt.
„Ich muss Ihnen etwas sagen.“
Argwöhnisch musterte die Schwester ihr Gegenüber, dann wurde
Weitere Kostenlose Bücher