Die alte Villa (German Edition)
zu seinen Eltern oder zu ihm, und stattdessen den weiten Weg bis zum Kinderheim zurück gelegt hatte, als sie krank geworden war.
Resigniert kam er zu dem Schluss, dass Greta vermutlich doch mehr hier her gehörte als zu ihnen auf den Bauernhof.
Als Jeremy wieder gegangen war, kam der Arzt in Begleitung von Schwester Gabriela. Sie schüttelte den Kopf.
„Das ist nun die Strafe für ihr sündiges Verhalten. Man erzieht die jungen Dinger heute viel zu freizügig. Wäre sie doch nur hier bei uns im Heim geblieben. Das hätte ihr einiges erspart.“
Drei Wochen später brachte man sie in eine psychiatrische Klinik ganz in der Nähe des Heimes.
Als Jeremy sie dort besuchte, fand er seine Adoptivschwester in einem Zustand großer Verwirrung vor. Zwar hatte sie anscheinend ihr Schweigen gebrochen, aber dafür redete sie wirr und unverständlich.
Auf dem Rückweg fuhr er nochmals ins Kinderheim und bat um ein Gespräch mit Schwester Gabriela, die inzwischen die Leitung des Heimes übernommen hatte.
“Ich möchte alle Unterlagen meiner Schwester haben“, verlangte er mit Bestimmtheit und als er der Schwester mit der Polizei drohte, händigte sie ihm die Papiere schließlich aus.
Laut dieser Unterlagen hatte Greta tatsächlich noch lebende Verwandte.
Warum habe ich mich nicht längst darum gekümmert? , dachte er schuldbewusst.
Ich muss herausfinden, ob ihre Schwester Elisabeth noch lebt!
~
21. Oktober 1979
Das eisige Schweigen zwischen Rebecca und ihrer Mutter fiel schließlich auch Rebeccas Vater auf. An einem Sonntagmorgen sprach er seine Tochter darauf an. Die Mutter war gerade mit Frau Krause in der Kirche und Rebeccas Vater erkannte den seltenen Moment als eine gute Möglichkeit für ein ungestörtes Gespräch.
„Na, komm schon, raus mit der Sprache. Da muss doch etwas gewesen sein. Ein Streit oder so? Vielleicht kann ich dir ja helfen.“
Heinrich Stein war ein sehr ungeduldiger Mensch und Rebecca wusste, dass es besser wäre, auf seine Fragen zu antworten, wollte sie nicht riskieren, auch noch bei ihm in Ungnade zu fallen.
„Mama lügt mich an!“, sagte sie schließlich ohne Umschweife.
„Sie verheimlicht mir Dinge, die ich wissen sollte.“
„Was denn?“, fragte der Vater verwundert.
„Das mit ihrer Schwester und meiner Großmutter.“
Der Vater schluckte und schaute betroffen zu Boden.
Aha. Er hängt da also auch mit drin.
Sie hatte die Unterlippe trotzig hervorgeschoben und war entschlossen, jetzt nicht klein beizugeben, ganz egal, was auch geschähe.
„Ach Rebecca, mein Mädchen. Das ist alles nicht so einfach, wie du denkst.“
„Warum?“, schrie sie auch schon los, um sich gleich darauf innerlich zu schelten:
Ich muss mich jetzt zusammenreißen.
So beherrscht wie möglich und mit sanfter Stimme fuhr sie also fort.
„Papa, das sind meine Verwandten, ich habe ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihnen passiert ist.“
Der Vater schien mit sich zu kämpfen und seufzte laut auf.
„Na gut. Ich erzähl dir, was damals passiert ist.“
Na also .
Rebecca schaute ihren Vater gespannt an.
„Elisabeths und...,“, er zögerte und musste sich anscheinend überwinden, den Namen der Schwägerin auszusprechen.
„...und Gretas Mutter war sehr krank. Sie starb schon früh und die beiden Mädchen wurden Waisen. - Elisabeth wurde in ein Heim gebracht, Greta in ein anderes.“
„Warum brachte man sie nicht zusammen in ein Heim und warum konnten sie nicht zu Tamara, Großmutters Freundin und Tante Gretas Patin gehen?“, fragte Rebecca gereizt und schon wieder völlig aufgebracht. Sie funkelte ihren Vater wütend an, lehnte sich dann aber wieder zurück auf ihrem Schreibtischstuhl, auf dem sie die ganze Zeit saß und atmete tief durch.
„Das weiß ich nicht. Aber wer um Himmels Willen ist Tamara?“
„Tamara war eine gute Freundin meiner Großmutter. Ich habe sie erst vor kurzem kennen gelernt. Sie wohnt hier in der Stadt und sie ist Gretas Patentante.“
„Aha?“, sagte ihr Vater verwundert und fuhr dann fort: „Also, wo war ich stehen geblieben? Ach ja. Elisabeth erzählte etwas von einem Vormund, der sich um alles gekümmert hätte, aber frag mich nicht, wer das war. Soweit ich weiß, hat Elisabeth keine weiteren Verwandten. Ihre Freundin Gesa, also Frau Krause, hat damals ihre paar Habseligkeiten aufgehoben. Wie es der Zufall so wollte, hatten Gertrud und Willi sich um ein Adoptivkind bemüht, da meine Schwester selber anscheinend keine
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